Shogun
natürlich alle anderen auch. Aber er wußte auch, daß es sehr töricht von ihm wäre, mit ihnen zu beginnen und nicht mit Toranaga. Und außerdem: Man konnte ja nie wissen. Vielleicht ließ sich Hiro-matsu, wenn es wirklich zum Krieg kam, doch in Versuchung führen, Toranaga zu verlassen und sich auf seine Seite zu schlagen. Die Dame Ochiba hatte versprochen, sich an Eisenfaust heranzumachen, wenn es soweit wäre. Sie hatte geschworen, daß er den Erben nie im Stich lassen und sie Eisenfaust auf ihre Weise bewegen würde, ihn möglicherweise sogar dazu zu bringen, Toranaga zu beseitigen und dadurch überhaupt jeden offenen Konflikt überflüssig zu machen.
Er schritt durch den Torweg in den Garten. Hiro-matsu und Yabu begleiteten ihn. Fünf Wachen folgten. Er verneigte sich höflich und wünschte Kiritsubo alles Gute. Dann, befriedigt, daß alles so gelaufen war, wie vorgesehen, machte er kehrt und entfernte sich.
Hiro-matsu stieß einen Seufzer aus und kratzte sich an seinen Hämorrhoiden. »Jetzt marschiert Ihr besser ab, Yabu-san. Diese Reismade wird Euch keinen Knüppel mehr zwischen die Beine werfen.«
»Jawohl. Sofort.«
Kiri tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Er ist ein Teufels- Kami! Ich habe solche Angst um unseren Gebieter!« Die Tränen rannen ihr über die Wangen. »Ich will nicht fort!«
»Herrn Toranaga wird nichts zustoßen, das verspreche ich Euch, Dame«, sagte Hiro-matsu. »Ihr müßt jetzt gehen.«
Kiri versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken und lüftete den Schleier, der von der breiten Krempe ihres Hutes herunterhing. »Ach, Yabu-sama, würdet Ihr wohl die Dame Sazuko hineinbegleiten? Bitte!«
»Selbstverständlich.«
Sazuko verneigte sich und eilte davon. Yabu folgte ihr. Die junge Frau lief die Treppe hinauf. Als sie die oberste Stufe fast erreicht hatte, rutschte sie aus und schlug hin.
»Das Baby!« kreischte Kiri. »Ist ihm was passiert?«
Aller Augen wandten sich der auf den Stufen liegenden jungen Frau zu. Mariko lief zu ihr, doch Yabu war als erster da und hob sie auf. Sazuko war mehr erschrocken als verletzt. »Es ist nichts passiert«, sagte sie ein wenig atemlos. »Macht Euch keine Sorgen, es ist alles in Ordnung. Es war töricht von mir.« Nachdem er sich überzeugt hatte, daß wirklich nichts passiert war, kehrte Yabu zurück in den Vorhof und bereitete alles zum Abmarsch vor.
Unendlich erleichtert kehrte auch Mariko zurück. Blackthorne sah offenen Mundes zum Garten hinüber.
»Was ist?« fragte sie.
»Nichts«, sagte er nach einer Pause. »Was hat die Dame Kiritsubo gerufen?«
»›Das Baby! Ist ihm was passiert?‹ Die Dame Sazuko ist nämlich schwanger«, erklärte sie. »Wir hatten alle Angst, sie könnte sich bei dem Sturz etwas getan haben.«
Kiri saß jetzt hinter den geschlossenen, halb durchsichtigen Vorhängen, den Schleier etwas gelockert. Arme Frau, dachte Mariko, die wußte, daß sie nur versuchte, ihre Tränen zu verbergen. Mir wäre es an ihrer Stelle ganz genau so arg, meinen Gebieter zu verlassen. Ob wir sie wohl je wiedersehen werden?
»Was hat Ishido denn gewollt?« fragte Blackthorne.
»Er wollte – mir fehlt das richtige Wort! Er wollte nachsehen – ein Inspektionsgang ohne vorherige Anmeldung.«
»Warum?«
»Er ist der Kommandant der Burg«, sagte sie, die ihm den wahren Grund nicht verraten wollte.
Yabu an der Spitze der Marschkolonne schrie Befehle und setzte sich in Bewegung. Mariko stieg in ihre Sänfte und ließ die Vorhänge teilweise offen. Buntaro gab Blackthorne zu verstehen, er möge beiseite treten. Er gehorchte.
Sie warteten, daß Kiris Sänfte vorbeigetragen wurde. Blackthorne starrte die tiefverhüllte Gestalt an und vernahm ihr ersticktes Schluchzen. Die beiden verängstigten Zofen, Asa und Sono, gingen nebenher. Dann warf er einen letzten Blick zurück. Hiro-matsu stand auf sein Schwert gestützt allein neben der kleinen Hütte. Jetzt wurde der Garten seinen Blicken entzogen, denn Samurai warfen die riesigen eisenbeschlagenen Torflügel zu. Der große hölzerne Querriegel wurde vorgelegt. Es waren jetzt keine Wachen mehr im Vorhof. Sie standen alle auf den Mauern der Befestigungsanlagen.
»Was geht hier vor?« fragte Blackthorne.
»Wie bitte, Anjin-san?«
»Es sieht so aus, als ob sie belagert würden. Die Braunen von den Grauen. Erwarten sie denn Schwierigkeiten? Noch mehr Schwierigkeiten?«
»Tut mir leid. Aber es ist üblich, die Tore über Nacht zu schließen«, sagte sie. Als ihre Sänfte sich in
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