Shogun
das nicht der Hafen, wo all die Portugiesen sitzen? Hat Pater Domingo nicht gesagt, dort gehe es zu wie in einem portugiesischen Hafen? Fahren nicht auf jedem Schiff Leute, die an Bord gepreßt, mit Gewalt zum Dienst gezwungen wurden – Leute, die stets bereit wären, für einen raschen Gewinn das Schiff zu wechseln, gleichgültig unter welchem Kapitän und unter welcher Flagge sie segeln müßten? Mit der Erasmus und unserem Silber könnte ich es mir schon erlauben, eine vollständige Mannschaft anzuheuern. Ich werde reich sein, und berühmt. Und dann ade, Meer, endlich ade! Und zwar für immer. Der Schlüssel zu allem ist Toranaga. Wie ihn anpacken?
Sie passierten einen weiteren Kontrollpunkt und bogen um eine Ecke. Vor ihnen lag das letzte Tor und das letzte Fallgitter der eigentlichen Burg, und dahinter die letzte Zugbrücke und der letzte Wallgraben. Auf der anderen Seite befand sich das allerletzte Außenwerk. Zahllose Fackeln machten die Nacht zum blutroten Tag.
Dann trat Ishido aus dem Schatten.
Die Braunen sahen ihn fast im selben Augenblick. Eine Welle der Feindseligkeit ging durch die Reihen. Buntaro schoß geradezu an Blackthorne vorüber, um näher an der Spitze des Zuges zu sein.
Yabu blieb stehen. Wie wenn nichts geschehen wäre, reichte er dem Hauptmann am Tor die Pässe und trat dann auf Ishido zu. »Ich habe nicht erwartet, Euch noch einmal zu sehen. Eure Wachen sind sehr gründlich.«
»Vielen Dank.« Ishido beobachtete Buntaro und die geschlossene Sänfte hinter ihm.
»Einmal unsere Papiere zu kontrollieren, sollte genügen«, sagte Buntaro und rasselte unheilverkündend mit seinen Waffen. »Zweimal höchstens. Was sind wir denn – im Krieg? Es ist beleidigend.«
»Es ist keinerlei Beleidigung beabsichtigt, Buntaro-san. Aber wegen der Mörder habe ich strengere Sicherheitsvorkehrungen angeordnet.« Ishido ließ den Blick kurz auf Blackthorne ruhen und überlegte nochmals, ob er ihn eigentlich ziehen lassen oder zurückhalten sollte, wie Onoshi und Kiyama es wollten. Dann blickte er wieder zu Buntaro hin. Auswurf, dachte er. Dein Kopf wird bald auf einer Lanze stecken. Wie kann eine so bezaubernde Frau wie Mariko es nur mit einem Affen wie dir aushalten?
Der neue Hauptmann unterzog die Papiere einer peinlich genauen Durchsicht. »Alles in Ordnung, Yabu-sama«, sagte er, als er an die Spitze des Zuges zurückkehrte. »Ihr braucht die Pässe nicht mehr. Wir behalten sie hier.«
»Gut.« Yabu wandte sich an Ishido. »Bis bald.«
Ishido zog eine Pergamentrolle aus dem Ärmel. »Ich wollte die Dame Kiritsubo bitten, dies für mich mit nach Yedo zu nehmen. Für meine Nichte. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß ich in der nächsten Zeit nach Yedo komme.«
»Gewiß.«
Yabu streckte die Hand aus.
»Bemüht Euch nicht, Yabu-san. Ich werde sie selbst bitten.« Ishido ging auf die Sänfte zu.
Gehorsam fingen die Zofen ihn ab. Asa streckte die Hand aus. »Erlaubt, daß ich die Botschaft nehme, Herr. Meine Gebieterin …«
»Nein!«
Zu Ishidos und auch zu aller anderen Verwunderung gaben die Zofen den Weg nicht frei.
»Aber meine Gebiet…«
»Aus dem Weg!« knurrte Ishido.
Beide Zofen wichen unterwürfig zur Seite; Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Ishido verneigte sich vor dem zugezogenen Vorhang. »Kiritsubo-san, ob Ihr wohl so freundlich sein würdet, dieses Schreiben für mich mit nach Yedo zu nehmen? Und es meiner Nichte zu übergeben?«
Zwischen den Schluchzern war so etwas wie Zögern zu erkennen, und die Gestalt verneigte sich zustimmend.
»Vielen Dank!« Ishido hielt die dünne Pergamentrolle eine Handbreit vor dem Vorhang hin, damit sie ihm abgenommen werde.
Das Schluchzen hörte auf. Blackthorne ging auf, daß Toranaga in der Falle saß. Die Höflichkeit verlangte, daß Toranaga das Schriftstück entgegennehme; seine Hand aber würde ihn verraten.
Jeder wartete darauf, daß die Hand zum Vorschein kam.
»Kiritsubo-san?«
Immer noch rührte sich nichts. Da trat Ishido rasch einen Schritt vor, riß den Vorhang beiseite, und im selben Augenblick stieß Blackthorne ein ohrenbetäubendes Geheul aus und fing an, auf und ab zu hüpfen wie ein Wahnsinniger. Wie vom Donner gerührt fuhren Ishido und die anderen herum.
Für einen Moment war Toranaga hinter Ishido in voller Größe zu sehen. Blackthorne dachte: Aus zwanzig Schritt Entfernung mag er für Kiritsubo durchgehen, aber hier, aus der Nähe, ist das unmöglich, obwohl der Schleier sein Gesicht verhüllt. Und in
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