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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Bewegung setzte, ging er nebenher. Buntaro und die Nachhut nahmen hinter ihnen Aufstellung. Blackthorne beobachtete die Sänfte vor ihnen, den schwankenden Gang der Träger und die verhüllte Gestalt darin. Er war zutiefst verstört, wiewohl er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. Als Kiritsubo plötzlich aufschrie, hatte er sofort zu ihr hingeblickt. Die Augen aller anderen waren auf die auf der Treppe hingestreckte junge Frau gerichtet gewesen. Auch er war versucht, dort hinzublicken, doch da sah er Kiritsubo wie ein Wiesel in der kleinen Hütte verschwinden. Einen Moment glaubte er, es sei eine Sinnestäuschung, weil ihr dunkler Reisemantel, der dunkle Kimono, der dunkle Hut und der dunkle Schleier sie in der Nacht nahezu unsichtbar machten. Er sah die Gestalt für einen Augenblick verschwinden, dann wieder hervorkommen, auf die Sänfte zuschießen und die Vorhänge dicht verschließen. Den Bruchteil einer Sekunde kreuzten sich ihre Blicke. Es war Toranaga.

22. Kapitel
    Der kleine Zug mit den beiden Sänften bewegte sich langsam durch das Labyrinth der Burg und durch die verschiedenen Kontrollstationen. Jedesmal gab es förmliche Verneigungen, die Dokumente wurden immer wieder peinlichst genau studiert, ein neuer Hauptmann und eine neue Gruppe von Grauen lösten diejenigen, die sie bisher eskortiert hatten, ab, und dann durften sie passieren. An jeder Kontrollstelle beobachtete Blackthorne mit wachsendem Unbehagen, wie der Hauptmann der Wache nahe herantrat, um die vorgezogenen Vorhänge von Kiritsubos Sänfte genau in Augenschein zu nehmen. Jedesmal verneigte der Betreffende sich vor der nur undeutlich erkennbaren Gestalt, vernahm das erstickte Schluchzen und winkte ihnen nach gebührender Wartezeit weiterzugehen.
    Wer sonst weiß es noch? fragte Blackthorne sich verzweifelt. Die Zofen mußten es wissen – das würde auch erklären, warum sie einen so verängstigten Eindruck machten. Und Hiro-matsu war bestimmt eingeweiht; desgleichen selbstverständlich die Dame Sazuko, die das Ablenkungsmanöver übernommen hatte. Und Mariko? Ich glaube nicht. Yabu? Ob Toranaga ihm genug traute? Und dieser halslose Wahnwitzige, Buntaro? Vermutlich nicht.
    Offensichtlich handelt es sich um einen hochgeheimen Fluchtversuch. Aber warum sollte Toranaga sein Leben außerhalb der Burg aufs Spiel setzen? Ist es in der Burg nicht sicherer für ihn? Warum diese Heimlichkeit? Vor wem mag er fliehen? Vor Ishido? Etwaigen Meuchelmördern? Vermutlich vor allen, dachte Blackthorne und wünschte, sie wären sicher auf der Galeere und bereits auf hoher See. Wenn Toranaga entdeckt wird, gibt es einen Riesenaufruhr, dann wird bestimmt auf Leben und Tod gekämpft und kein Pardon gegeben. Ich bin unbewaffnet, aber selbst wenn ich zwei gute Pistolen hätte oder einen Zwanzigpfünder und hundert dicke Kanonenkugeln, würden die Grauen uns doch den Garaus machen.
    »Werdet Ihr auch schon müde, Anjin-san?« fragte Mariko geziert, »wenn Ihr wollt, könnt Ihr einsteigen, und ich gehe zu Fuß.«
    »Danke, nein, nicht nötig«, entgegnete er säuerlich, denn ihm fehlten seine Schuhe, er kam mit den Riemensandalen noch nicht so gut zurecht. »Meine Beine sind in Ordnung. Ich wünschte nur, wir wären schon auf See und in Sicherheit.«
    »Ist es denn auf See jemals sicher?«
    »Manchmal schon, Senhora. Aber nicht oft.« Er hörte ihr kaum zu. Bei Gott, dachte er, hoffentlich verrate ich Toranaga nicht! Das wäre entsetzlich! Für mich wäre es einfacher, wenn ich ihn nicht gesehen hätte. Nun, das war Pech, einer von diesen Zufällen, die einem bei einem vollkommenen Plan dazwischenkommen können. Ich bin auf das ganze abgekartete Spiel nur deshalb nicht hereingefallen, weil ich nicht verstand, was sie rief. Pech, daß ich Toranaga gesehen habe – mit Perücke, Make-up, Kimono und Reisemantel –, genauso wie Kiritsubo, und doch Toranaga.
    Beim nächsten Kontrollpunkt kam der Hauptman der Wache noch näher; die Zofen verneigten sich mit Tränen in den Augen und standen im Weg, ohne daß es so ausgesehen hätte, als täten sie es vorsätzlich. Der Hauptmann spähte zu Blackthorne hinüber und trat dann an die Sänfte heran. Nach unglaublich forschendem Blick richtete er das Wort an Mariko, die ihm kopfschüttelnd antwortete. Der Mann knurrte und ging zu Yabu hinüber, reichte die Pässe zurück und ließ den Zug weitergehen.
    Wie es wohl Rodrigues geht? dachte Blackthorne, als sie weiterzogen. Ob er wohl ein brandiges Bein bekommen hat?

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