Shogun
denn der Barbar!
Ist es nicht unsere Pflicht zu sehen? fragte er sich. Und Beweise herbeizuschaffen? Sie hinter verschlossenen Türen zu überraschen, wie sie nebeneinander auf den Futons liegen? Du selbst wirst wegen heimlichen Einverständnisses verurteilt werden, wenn du es nicht meldest, neh? Und es wäre so einfach, wenngleich sie sehr umsichtig sind.
Gewiß, aber nur ein Narr würde so etwas melden, dachte er. Ist es nicht klüger, einfach den Einfaltspinsel zu spielen und zu beten, daß niemand sie und damit dich verrät? Ihr Leben ist ohnehin verwirkt, unser aller Schicksal besiegelt – was spielt es also noch für eine Rolle? Wende deine Augen ab. Überlaß sie ihrem Karma.
»Ah, guten Morgen, Mariko-san. Was für ein schöner Tag heute ist«, sagte Pater Alvito, als er sich ihnen näherte. Sie standen vor dem Gasthaus, bereit aufzubrechen, jene Strecke zurückzulegen, die sie heute schaffen mußten. Er schlug das Kreuzzeichen über ihr. »Möge Gott Euch segnen und in alle Ewigkeit seine Hand über Euch halten.«
»Ich danke Euch, Pater.«
»Guten Morgen, Pilot. Wie geht es Euch?«
»Gut, vielen Dank. Und Euch?«
Ihr kleiner Zug und die Jesuiten hatten sich auf dem Weg immer wieder gegenseitig überholt. Manchmal waren sie in demselben Gasthaus abgestiegen und hatten bisweilen auch einen Teil des Weges gemeinsam zurückgelegt.
»Möchtet Ihr, daß wir heute zusammen reiten, Pilot? Es würde mir ein Vergnügen sein, den Japanisch-Unterricht fortzusetzen, wenn Ihr nichts dagegen hättet.«
»Danke. Ja, das wäre mir sehr recht.«
Am ersten Tag hatte Alvito sich erboten, Blackthorne etwas Japanisch beizubringen.
»Für welche Gegenleistung?« hatte Blackthorne wachsam gefragt.
»Für keine. Mir würde es helfen, die Zeit zu vertreiben. Und um die Wahrheit zu gestehen: Mich macht das Leben im Moment schrecklich traurig. Ich fühle mich alt. Und ein wenig auch, um mich für meine rauhen Worte zu entschuldigen.«
»Ich erwarte keine Entschuldigung von Euch. Ihr müßt tun, was Ihr für richtig haltet, und ich das, was ich für richtig halte. Zusammenkommen können wir nie.«
»Möglich – aber vielleicht könnten wir auf unserer Reise manches miteinander teilen, neh? Wir reisen auf derselben Straße. Ich würde Euch gern helfen.«
»Danke, aber ich traue Euch nicht.«
»Nun, wenn Ihr unbedingt wollt, dann erzählt mir dafür von Eurer Welt, was Ihr gesehen habt und wo Ihr überall gewesen seid. Aber wirklich nur das, was Ihr wollt. Wahrhaftig, das fände ich herrlich und wäre ein gerechter Austausch. Ich bin mit dreizehn oder vierzehn nach Japan gekommen und habe nichts von der übrigen Welt gesehen. Wir könnten sogar einen Waffenstillstand für die Dauer der Reise schließen, wenn Ihr wollt.«
»Aber keine Religion oder Politik, und nichts von päpstlichen Lehren! Ja?«
»Ich bin, was ich bin, Pilot, aber ich will's versuchen.«
So hatten sie vorsichtig angefangen, ihre Kenntnisse auszutauschen. Blackthorne schien das kein gerechter Handel zu sein. Alvitos Gelehrsamkeit war enorm, und er war ein meisterhafter Lehrer, wohingegen Blackthorne glaubte, daß er nur Dinge berichte, die jeder Pilot wußte. »Aber das stimmt nicht«, hatte Alvito gesagt. »Ihr seid ein einzigartiger Pilot, Ihr habt unglaubliche Dinge getan.«
Nach und nach entwickelte sich tatsächlich so etwas wie ein Waffenstillstand zwischen ihnen, und Mariko freute sich darüber.
»Das ist Freundschaft, Anjin-san, oder der Beginn einer Freundschaft«, sagte Mariko.
»Nein. Keine Freundschaft. Ich mißtraue ihm wie eh und je. Und er mir auch. Wir sind ewige Feinde. Weder habe ich etwas vergessen noch er. Ich verstehe ihn, und deshalb schadet das nichts – jedenfalls nicht, solange ich in meiner Wachsamkeit nicht nachlasse.«
Während er viel Zeit mit Alvito verbrachte, ritt sie gemächlich neben Kiku und Gyoko her und plauderte über Fragen des Kopfkissen-miteinander-Teilens, darüber, wie man Männern Lust bereitete, und über die Welt der Weidenruten. Als Entschädigung erzählte sie den beiden aus ihrer Welt, ließ sie teilnehmen an dem, was sie erlebt hatte, wozu sie beigetragen oder wovon sie gehört – über den Diktator Goroda, den Taikō und sogar über Herrn Toranaga, Geschichten über die Großen dieser Welt.
Ein paar Leguas südlich von Mishima bog der Fluß nach Westen ab, um dann gemächlich zur Küste hinunterzuströmen und dort den Hafen Numazu zu bilden; damit verließen sie das zerklüftete Gebiet
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