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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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winkte er nicht zurück, sondern kehrte ihr den Rücken zu, rammte seinem Pferd die Sporen in die Weichen und sprengte davon.
    In dieser Nacht wurde ihr Schlaf gestört.
    »Was ist, Geliebter?«
    »Nichts, Mariko-chan. Schlaft weiter.«
    Doch sie tat es nicht. Und er auch nicht. Lange bevor sie eigentlich gehen mußte, schlüpfte sie zurück in ihr Zimmer, und er stand auf, setzte sich in den Hof und vertiefte sich im Schein einer Kerze bis zum Morgengrauen in das Wörterbuch. Mit dem Aufgehen der Sonne und dem sich erwärmenden Tag schwanden auch ihre nächtlichen Besorgnisse, und sie setzten die Reise friedlich fort. Bald, nur wenig östlich von Mishima, erreichten sie die große Hauptverkehrsader, die Tokaidō-Straße, und es mehrten sich die Reisenden darauf. Die große Masse ging, wie immer, zu Fuß, ihre Habseligkeiten auf dem Rücken. Sonst benutzten nur noch ein paar Tragtiere die Straße.
    »Ich habe noch nie soviel Menschen unterwegs gesehen«, sagte Blackthorne.
    »Oh, das ist doch gar nichts! Wartet, bis wir uns Yedo nähern. Wir reisen alle schrecklich gern, Anjin-san, aber nur selten allein. Wir lieben es, in Gruppen zu reisen.«
    Allerdings stellten die Menschen sich ihrem Vorankommen nicht in den Weg. Das Toranagawappen, das ihr Standartenträger führte, Toda Marikos persönlicher Rang und die barsche Tüchtigkeit von Akira Yoshinaka sowie die Vorläufer, die ausriefen, wer ihnen folgte – all das trug dazu bei, daß sie im Gasthaus stets die besten Räume bekamen und daß sie überall ungehindert weiterkamen. Alle anderen Reisenden und Samurai traten rasch beiseite, verneigten sich tief und warteten, bis sie vorüber waren.
    »Müssen sie eigentlich jedem gegenüber stehenbleiben und sich verneigen?«
    »O nein, Anjin-san, nur den Daimyos und wichtigen Persönlichkeiten gegenüber. Und den meisten Samurai gegenüber – ja, wer nicht von Adel ist, tut gut daran, sich daran zu halten. Es ist höflich, das zu tun, Anjin-san, und notwendig, neh? Wenn das gewöhnliche Volk nicht die Samurai und sich selbst achtete – wie könnte dem Gesetz Geltung verschafft und das Reich regiert werden? Sind nicht auch wir stehengeblieben und haben uns verneigt, als der Kaiserliche Kurier vorüberkam? Jeder muß höflich sein, neh? Samurai von geringerem Rang müssen absteigen und sich vor höhergestellten verneigen. Rituale bestimmen unser Leben, aber das Reich ist gehorsam.«
    »Wie ist es denn, wenn zwei Daimyos von gleichem Rang sich begegnen?«
    »Dann würden beide absteigen, sich voreinander verneigen und weiterziehen.«
    »Auch wenn zum Beispiel Herr Toranaga und General Ishido einander begegneten?«
    Flugs wandte Mariko sich dem Lateinischen zu. »Wer sind sie, Anjin-san? Das sind Namen, die ich nicht kenne, jedenfalls heute nicht, wo Er und ich zusammen sind.«
    »Sie hat recht. Bitte, verzeihe Sie mir.«
    »Hört, mein Geliebter, geben wir uns gegenseitig das Versprechen, daß, wenn die Madonna uns hold ist und wir aus Mishima herauskommen, wir erst in Yedo, wenn wir gar nicht mehr anders können, unsere Welt verlassen, die nur uns beiden gehört. Bitte?«
    »Was für eine besondere Gefahr droht denn in Mishima?«
    »Dort muß unser Hauptmann Herrn Hiro-matsu einen Bericht vorlegen. Und dort muß auch ich ihn sprechen. Er ist ein kluger Mann, und ihm entgeht so leicht nichts. Es könnte so leicht geschehen, daß man uns verrät.«
    »Wir sind sehr vorsichtig gewesen. Bitten wir Gott, daß Ihre Befürchtungen unbegründet sein mögen.«
    »Um meinetwillen mache ich mir keine Sorgen – einzig um Seinetwillen.«
    »Und ich um Ihretwillen.«
    »Versprechen wir uns dann gegenseitig, in unserer kleinen Welt zu bleiben?«
    »Ja. Tun wir so, als wäre es die wirkliche Welt – unsere einzige Welt.«
    »Dort hinten liegt Mishima, Anjin-san.« Mariko wies auf das andere Ufer des letzten Flusses hinüber.
    Die ausgedehnte, von einer Burg beherrschte Stadt, in der nahezu sechstausend Menschen lebten, lag zum größten Teil unter niedrig treibendem Morgennebel verborgen. Nur ein paar Häuserdächer und die steinerne Burg waren zu erkennen. Im Hintergrund ragte eine Bergkette, die sich nach Westen bis ans Meer erstreckte. Weit im Nordwesten ragte der herrliche Fuji-yama. Im Norden und im Osten verdeckten Gebirgszüge den Himmel. »Und was jetzt?«
    »Jetzt hat Yoshinaka den Auftrag, den besten Gasthof in zehn Ri Umkreis zu finden. Wir werden zwei Tage hierbleiben. So lange brauche ich mindestens, um meine

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