Shogun
vier Augen sprechen? Es geht um etwas Geschäftliches.«
»Selbstverständlich.« Mariko hatte die Veranda verlassen, weil sie den Schlaf des Anjin-san nicht stören wollte. Sie ließ Chimmoko Cha bringen und befahl, daß in der Nähe des kleinen Wasserfalls Sitzkissen bereitgelegt wurden.
»Ich habe überlegt, wie ich Toranaga-sama am besten behilflich sein könnte«, begann Gyoko.
»Die tausend Koku wären mehr als großzügig.«
»Drei Geheimnisse wären vielleicht noch großzügiger.«
»Eines könnte es sein, Gyoko-san, wenn es das richtige wäre.«
»Der Anjin-san ist ein guter Mann, neh? Seiner Zukunft muß auch geholfen werden, neh?«
»Der Anjin-san hat sein eigenes Karma«, erwiderte sie und wußte, daß die Zeit des Zahlens gekommen war. Sie überlegte, was sie wohl an Zugeständnissen machen müßte, wenn sie es überhaupt wagte, ein Zugeständnis zu machen. »Wir sprachen über Herrn Toranaga, neh? Oder betrifft eines der Geheimnisse den Anjin-san?«
»O nein, Dame. Es ist, wie Ihr gesagt habt. Der Anjin-san hat sein eigenes Karma – wie er, davon bin ich überzeugt, auch seine eigenen Geheimnisse hat. Ich habe nur daran gedacht, daß der Anjin-san einer von Herrn Toranagas bevorzugtesten Vasallen ist und daß alles, was unseren Gebieter schützt, auch seinen Vasallen hilft, neh?«
»Dem stimme ich zu. Aber selbstverständlich ist es die Pflicht eines jeden Vasallen, jede Information weiterzugeben, die seinem Herrn helfen könnte.«
»Richtig, Dame, sehr richtig. Ah, es ist mir eine solche Ehre, Euch zu dienen. Honto. Dürfte ich Euch sagen, daß Eure Weisheit so groß ist wie Eure Schönheit und Euer Mut so hoch wie Euer Rang.«
»Ah, Gyoko-san, bitte verzeiht, Ihr seid zu gütig, zu rücksichtsvoll. Ich bin nichts weiter als die Gemahlin eines der Generäle meines Gebieters. Was habt Ihr gesagt? Vier Geheimnisse?«
»Drei, Dame. Ich habe überlegt, ob Ihr wohl geneigt wäret, an meiner Stelle bei Herrn Toranaga vorzusprechen. Es wäre für mich unvorstellbar, ihm etwas zuzuflüstern, von dem ich weiß, daß es wahr ist. Das bewiese sehr schlechte Manieren, denn ich wüßte nicht die richtigen Worte zu wählen, und auf jeden Fall ist es, wenn es um Wichtiges geht, immer besser und entspricht auch unseren Gepflogenheiten, sich eines Mittelsmannes zu bedienen, neh?«
»Aber Kiku-san würde sich da doch viel besser eignen, neh? Ich habe keine Ahnung, wann ich zu ihm gerufen werde oder wie lange es dauern würde, bis er mir eine Audienz gewährt, oder ob er überhaupt interessiert wäre, sich etwas anzuhören, was ich ihm sagen könnte.«
»Bitte, verzeiht mir, aber Ihr wäret unendlich besser geeignet als Kiku. Ihr besitzt sein Ohr, sie andere Dinge.«
»Ich bin kein Ratgeber, Gyoko-san. Und auch nicht jemand, der solche Informationen beurteilen könnte.«
»Ich würde sagen, sie sind gut und gern ihre tausend Koku wert.«
»So desu ka?«
Gyoko vergewisserte sich, daß auch wirklich niemand lauschte, und dann berichtete sie, was der abtrünnige christliche Priester laut gesagt habe, was Herr Onoshi ihm im Beichtstuhl anvertraut und was er wiederum seinem Onkel, dem Herrn Harima, gesteckt; sodann, was Omis Zweiter Koch über Omis und seiner Mutter Komplott gegen Yabu mitangehört; und zuletzt alles, was sie über Zataki wußte, daß er sich offensichtlich nach der Dame Ochiba verzehrte, und über Ishido und die Dame Ochiba.
Mariko hatte sehr aufmerksam die Ohren gespitzt. Daß das Beichtgeheimnis verletzt worden war, entsetzte sie, aber trotzdem dröhnte ihr der Kopf von den vielen Möglichkeiten, die diese Informationen eröffneten. Dann nahm sie Gyoko nachdrücklich ins Gebet.
Als sie überzeugt war, alles zu wissen, was Gyoko im Augenblick preiszugeben bereit war – denn jemand, der sich so trefflich aufs Verhandeln verstand, würde immer noch irgend etwas in der Hinterhand behalten –, ließ sie frischen Cha kommen.
Sie schenkte Gyoko die Schale eigenhändig voll, und dann schlürften sie geziert. Beide waren äußerst wachsam, und beide zuversichtlich.
»Ich habe keine Ahnung, wie wertvoll diese Informationen sind, Gyoko-san. Ich könnte mir jedoch denken, daß sie Herrn Toranaga – nebst den tausend Koku – sehr willkommen wären.«
Gyoko schluckte den Fluch hinunter, der ihr auf der Zunge lag. Sie hatte einen beträchtlichen Nachlaß ihres ersten Gebots erwartet. »Tut mir leid, aber Geld ist für einen so großen Daimyo ohne Bedeutung; für eine Bäuerin wie mich
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