Shogun
das ist das einzige, was mich befriedigen würde.«
Gereizt schüttelte Toranaga den Kopf. »Was sie da erzählt hat, ist interessant – vielleicht; aber es ist nicht soviel wert, ihren Sohn deshalb zum Samurai zu machen.«
Mariko erwiderte: »Sie scheint eine treue Vasallin zu sein, Euer Gnaden. Sie hat gesagt, es wäre ihr eine Ehre, weitere fünfhundert Koku von ihrem Kontrakt für einen bedürftigen Samurai nachzulassen.«
»Aber das ist doch keine Großzügigkeit. Nein, höchstens der Ausdruck eines Schuldgefühls, daß sie ursprünglich einen solchen Wucherpreis gefordert hat.«
»Vielleicht lohnte es sich aber doch, darüber nachzudenken, Euer Gnaden. Ihre Idee von der Zunft der Kurtisanen und von den neuen Kurtisanenkategorien werden weitreichende Folgen haben, neh? Es könnte doch nichts schaden, vielleicht.«
»Da bin ich anderer Meinung. Nein. Warum sie belohnen. Es ist kein Grund vorhanden, ihr diese Ehre zu erweisen. Lächerlich! Sie kann Euch doch nicht im Ernst darum gebeten haben, oder?«
»Es wäre mehr als nur ein bißchen unverschämt gewesen, das zu tun, Euer Gnaden. Ich habe den Vorschlag nur gemacht, weil ich glaube, sie könnte nützlich für Euch sein.«
»Da muß sie schon mit ein bißchen mehr aufwarten. Wahrscheinlich sind ihre Geheimnisse auch noch erlogen.« Toranaga ließ eine kleine Klingel ertönen, und augenblicklich erschien ein Diener an der Tür.
»Euer Gnaden?«
»Wo ist die Kurtisane Kiku?«
»In Euren Gemächern, Euer Gnaden.«
»Ist dies Weib, die Gyoko, bei ihr?«
»Jawohl, Euer Gnaden.«
»Schickt sie beide aus der Burg hinaus! Auf der Stelle! Schickt sie zurück nach … Nein, bringt sie in einem Gasthaus unter – einem drittklassigen Hotel –, und sagt ihnen, sie sollen dort warten, bis ich nach ihnen schicke.« Aufbrausend sagte Toranaga, als der Mann fort war: »Abscheulich! Der Sohn einer Kupplerin, und dann Samurai werden? Diese dreckigen Bauern wissen nicht mehr, wo sie hingehören.«
Mariko ließ ihn nicht aus den Augen. Sie war erschrocken über den Wandel, der mit ihm vorgegangen war. Niedergeschlagenheit, Gereiztheit und Verdrossenheit beherrschten diesen Mann, der zuvor immer nur Zuversicht ausgestrahlt hatte. Zwar hatte er sich die Geheimnisse interessiert angehört, doch keineswegs voller Erregung, wie sie es erwartet hatte. Der Ärmste, dachte sie voller Mitgefühl, er hat aufgegeben. Vielleicht ist es weise von ihm, alle weltlichen Dinge von sich zu weisen und sich auf das Unbekannte vorzubereiten. Vermutlich tätest auch du gut daran, das zu tun, dachte sie, und starb innerlich noch ein bißchen mehr. Ja, allerdings kannst du das noch nicht, denn irgendwie mußt du deinen Sohn beschützen.
Sie befanden sich im sechsten Stockwerk des hochragenden Bergfrieds, und die Fenster gingen auf die Stadt hinaus. Der Sonnenuntergang war heute alles andere als strahlend, und ein Strich des Mondes stand überm Horizont. Die Luft war zum Ersticken, wiewohl hier, fast dreißig Meter über den Festungswällen, der Raum jeden Lufthauch mitbekam.
Toranaga nahm die Botschaft zur Hand, die Hiro-matsu ihm durch Mariko geschickt hatte, und las sie nochmals durch. Sie bemerkte, daß seine Hand zitterte. »Wozu will er hierherkommen nach Yedo?« Ungeduldig warf Toranaga die Schriftrolle beiseite.
»Ich weiß es nicht, Euer Gnaden. Tut mir leid. Er hat mich nur gebeten, Euch diesen Brief zu übergeben.«
»Habt Ihr mit dem christlichen Abtrünnigen gesprochen?«
»Nein, Euer Gnaden. Yoshinaka-san hat gesagt, Ihr hättet befohlen, niemand dürfe das tun.«
»Wie war Yoshinaka auf der Reise?«
»Sehr tüchtig, Euer Gnaden«, sagte sie geduldig; sie beantwortete diese Frage bereits zum zweiten Mal. »Sehr umsichtig. Er hat uns gut bewacht und genau zum richtigen Zeitpunkt abgeliefert.«
»Warum ist der Tsukku-san nicht den ganzen Rest der Reise mit Euch gereist?«
»Auf der Straße von Mishima haben er und der Anjin-san gestritten«, erklärte Mariko, ohne zu wissen, was Pater Alvito Toranaga bereits erzählt haben mochte, ja, nicht einmal, ob er ihn überhaupt schon empfangen hatte. »Der Pater beschloß daraufhin, allein weiterzureisen.«
»Worum ging es denn bei dem Streit?«
»Zum Teil um mich und meine Seele, Euer Gnaden. Hauptsächlich jedoch um ihre religiösen Ansichten.«
»Wer hat damit angefangen?«
»Sie tragen beide gleichermaßen Schuld. Angefangen hat es über einer Flasche Branntwein.« Mariko berichtete, was sich mit Rodrigues abgespielt
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