Shogun
mittschiffs stand, da wolltet Ihr mich über Bord gehen lassen. Stimmt's?«
»Ja«, antwortete Rodrigues, ohne zu zögern. Er stand wieder auf. »Ja. Ich bin froh, daß Ihr mich das gefragt habt, denn das hat mir mächtig auf der Seele gelegen. Ich bitte Euch um Verzeihung, so wie ich hier stehe, denn ich hätt's einfach nicht über mich gebracht, Euch das aus freien Stücken zu gestehen, Ingeles. Ja, Ingeles, ich bitte nicht um Verständnis oder sonst was. Aber ich bin froh, Euch diese Schande ins Gesicht hinein gestanden zu haben.«
»Glaubt Ihr, ich könnte Euch so etwas antun?«
»Nein. Aber wer weiß …«
»Ihr seid hergekommen, um mich umzubringen?«
»Nein. Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, daß ich vor allem daran gedacht habe, wenn wir auch beide wissen, daß es für mein Volk und für mein Land besser wäre, wenn Ihr tot wäret.«
»Ich will Euch nicht tot sehen, Pilot. Ich will bloß Euer Schwarzes Schiff …«
»Hört zu, Ingeles«, sagte Rodrigues, ohne in die Luft zu gehen. »Wenn wir uns auf See begegnen, Ihr auf Eurem Schiff, bewaffnet, und ich auf meinem … dann gebt gut auf Euer Leben acht. Euch das zu sagen, bin ich vor allem hergekommen … nur das. Ich dachte, es wäre möglich, Euch das in aller Freundschaft zu sagen und auch hinterher noch Euer Freund zu bleiben. Bis auf den Augenblick, wo wir einander auf See begegneten. Ich stehe für immer in Eurer Schuld. Salud !«
»Ich hoffe, Euch Euer Schwarzes Schiff auf See wegzunehmen. Salud , Pilot!«
Rodrigues stolzierte davon. Yoshinaka und seine Samurai folgten ihm. Am Tor nahm der Portugiese seine Waffen vom Boden auf. Bald darauf hatte die Nacht ihn verschluckt.
Blackthorne nahm nochmals auf einem der Kissen Platz, und kurz darauf kam die Zofe, die er nach Saké geschickt hatte, glücklich mit dem Tablett herbei. Sie schenkte ihm eine Schale ein und wäre geblieben, ihm aufzuwarten, hätte er sie nicht fortgeschickt. Jetzt war er allein. Die Nachtgeräusche umgaben ihn abermals: das Rascheln der Blätter, das Rauschen des Wasserfalls und die Laute der Nachtvögel. Bewegungen. Alles war wie zuvor, und dennoch war alles anders.
Traurig griff er nach der Schale, um sich nochmals einzuschenken, da raschelte Seide, und Marikos Hand hielt das Kännchen. Sie schenkte erst ihm ein und dann sich selbst.
»Domo, Mariko-san.«
»Do itashimashite, Anjin-san.« Sie setzte sich auf das andere Kissen. Sie tranken den heißen Wein.
»Er wollte Euch umbringen, neh?«
»Ich weiß nicht … Jedenfalls bin ich mir nicht sicher.«
»Was sollte das heißen: Ihn durchsuchen, wie die Spanier es tun?«
»Von denen ziehen manche ihre Gefangenen splitternackt aus und untersuchen selbst ihren After. Und zwar nicht gerade zartfühlend. Sie nennen das con significa , jemand ›gründlich‹ filzen. Manchmal nehmen sie sogar Dolche zu Hilfe.«
»Oh.« Sie nippte abermals und lauschte dem Wasser, das über die Steine plätscherte. »Das ist hier genauso, Anjin-san. Manchmal. Deshalb ist man klug beraten, niemals in Feindeshand zu fallen. Wenn Ihr gefangengenommen werdet, habt Ihr Euch selbst so vollkommen entehrt, daß alles, was der Feind einem antut … Man sollte sich hüten, sich gefangennehmen zu lassen, neh?«
Er starrte auf die im kühlen Wind leise schwankenden Laternen. »Yoshinaka hatte recht … ich hatte unrecht. Die Durchsuchung war notwendig.«
Mariko trug einen Schlafkimono und hatte nur einen blauen Tageskimono darübergezogen. Sie hatte das Haar, das ihr bis auf die Hüften ging, locker geflochten. Sie sah zurück zu dem fernen Tor, das man durch die Bäume hindurch erkennen konnte. »Daß Ihr von dem Brandy nichts getrunken habt, war sehr klug von Euch, Anjin-san. Ich hätte mich umbringen können vor Zorn, daß ich vergessen hatte, Yoshinaka davor zu warnen. Ihr habt große Klugheit bewiesen, als Ihr ihn zweimal trinken ließet. Verwendet man in Euren Ländern viel Gift?«
»Manchmal. Manche Leute tun es. Abscheulich!«
»Ja, aber höchst wirkungsvoll. Es kommt auch hier vor.«
»Schrecklich, nicht wahr, daß man niemandem trauen kann?«
»Aber nein, Anjin-san, tut mir leid«, entgegnete sie. »Das ist doch nur eine der wichtigsten Lebensregeln … nicht mehr und nicht weniger.«
Viertes Buch
47. Kapitel
Die Erasmus lag am Pier von Yedo und schimmerte in der Mittagssonne. Sie war blitzsauber.
»Herrgott im Himmel, Mariko, seht sie Euch an! Habt Ihr so was schon mal gesehen? Seht doch, diese Linienführung!«
Sein
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