Shogun
sie.
»Sie!« sagte er.
Das frisch gepuderte Gesicht der Tür zugewandt, kniete sie da. Ihre Lippen leuchteten rot, sie war makellos frisiert und trug einen frischen dunkelblauen Kimono mit grünen Säumen, einen Obi aus hellerem Grün und ein dünnes grünes Band im Haar.
»Sie ist wunderschön!«
»Auch Er.« Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf ihre Züge. »Es tut mir so leid, daß es nötig für Euch war zuzusehen.«
»Es war meine Pflicht.«
»Keine Pflicht«, sagte sie. »So viele Gefallene … das hatte ich weder erwartet noch geplant.«
»Karma.« Blackthorne riß sich aus seiner Benommenheit heraus und hörte auf, lateinisch zu reden. »Ihr habt all dies seit langem geplant … Euren Selbstmord. Neh?«
»Mein Leben hat niemals mir gehört, Anjin-san. Es hat immer meinem Lehnsherrn gehört und nach ihm meinem Gatten. So lautet unser Gesetz.«
»Es ist ein schlechtes Gesetz.«
»Ich liebe Ihn«, sagte sie auf lateinisch.
»Ja, das weiß ich jetzt. Und ich liebe Sie. Aber Ihr Ziel ist der Tod, Mariko-san.«
»Ihr irrt, mein Geliebter. Mein Ziel ist das Leben meines Gebieters. Und Sein Leben. Und wahrlich, die Madonna verzeihe mir oder segne mich dafür, es gibt Augenblicke, da Sein Leben mir wichtiger ist als seines.«
»Jetzt gibt es kein Entkommen mehr. Für keinen.«
»Geduldet Euch. Noch ist die Sonne nicht untergegangen.«
»Ich traue dieser Sonne nicht, Mariko-san.« Er streckte den Arm aus und berührte ihr Gesicht. »Gomen nasai.«
»Ich habe Ihm versprochen, heute abend werde es sein wie im ›Gasthaus zu den Blüten‹. Gedulde Er sich. Ich kenne Ochiba, Ishido und die anderen.«
» Que vá , die anderen«, sagte er auf portugiesisch. Seine Stimmung schlug um. »Wollt Ihr damit sagen, Ihr hättet Euch auf ein Spiel eingelassen, und Toranaga wüßte, was er tut. Neh?«
» Que vá , Eure schlechte Laune«, hielt sie ihm liebevoll entgegen. »Dieser Tag ist zu kurz!«
»Verzeihung … Ihr habt recht. Heute haben wir keine Zeit für schlechte Laune.« Er ließ sie nicht aus den Augen. Über ihr Gesicht legten sich Schattenstreifen, die von den Streben der Bambusfensterläden herrührten. Die Schatten wanderten in die Höhe und wurden plötzlich ausgelöscht, als die Sonne hinter einer Zinne verschwand.
»Was kann ich tun, um Ihr zu helfen?« fragte er.
»Indem Er daran glaubt, daß es ein Morgen gibt.«
Für einen Augenblick nahm er etwas von dem Entsetzen wahr, das sie erfüllte. Seine Arme streckten sich ihr entgegen, er umfing sie, und das Warten war nicht mehr schrecklich.
Schritte näherten sich. »Ja, Chimmoko?«
»Es ist Zeit, Herrin!«
»Ist alles bereit?«
»Ja, Herrin.«
»Wartet neben dem Lilienteich auf mich.« Die Schritte entfernten sich. Mariko wandte sich wieder Blackthorne zu und küßte ihn sanft.
»Ich liebe Ihn«, sagte sie.
»Ich liebe Sie«, sagte er.
Sie verneigte sich vor ihm und ging gebückt durch die Tür. Er folgte ihr.
Neben dem Lilienteich blieb Mariko stehen, löste ihren Obi und ließ ihn fallen. Chimmoko half ihr, den blauen Kimono auszuziehen. Darunter trug sie einen Kimono von blendendstem Weiß und einen ebensolchen Obi . Es war der Todeskimono. Sie löste das grüne Band aus ihrem Haar, warf auch das fort, schritt dann – ganz in Weiß – aus und blickte sich kein einziges Mal nach Blackthorne um.
Hinter dem Garten hatten die Braunen mitten unter dem Haupttor um acht Tatamis ein nach einer Seite offenes Rechteck gebildet. Yabu, Kiri und alle anderen Damen saßen nebeneinander auf den nach Süden hingehenden Ehrenplätzen. In der Gasse hatten auch die Grauen Aufstellung genommen, und unter ihnen andere Samurai und Samurai-Frauen. Auf ein Zeichen von Sumiyori hin verneigten sich alle. Vier Samurai traten vor und breiteten eine scharlachrote Decke über die Tatamis .
Mariko ging zu Kiritsubo und begrüßte sie, desgleichen zu Sazuko und zu allen anderen Damen. Diese erwiderten ihre Verneigung und sprachen die förmlichste aller Begrüßungen. Blackthorne wartete am Tor. Er sah, wie sie sich von den Damen löste, zu dem scharlachroten Platz hinüberging und sich genau in die Mitte vor ein kleines weißes Kissen setzte. Mit der Rechten holte sie ihr Stilett aus ihrem weißen Obi und legte es auf das Kissen. Chimmoko trat vor und überreichte ihr kniend eine kleine weiße Decke und eine weiße Schnur. Mariko ordnete die Röcke ihres Kimonos, die Zofe half ihr, und dann band sie sich die Decke mit der Schnur um die Taille. Blackthorne
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