Shogun
wieder zurückreisen wollt, und das in siebzehn Tagen.«
»Bitte … verzeiht, aber … die Gastfreundschaft des Erben ist nicht beleidigend …«
Eisig fuhr Ishido ihr über den Mund. »Wenn Ihr abreisen wollt, beantragt ganz normal eine Erlaubnis. Es wird zwar einen Tag dauern, aber wir werden dafür sorgen, daß Ihr sicher abreisen könnt.« Dann wandte er sich an die anderen: »Jede Dame kann einen Antrag stellen, jede Samurai-Dame.« Sein erbarmungsloser Blick wandte sich wieder Mariko zu … »Mir ist nicht daran gelegen, Damen sterben zu sehen, nur die Feinde des Erben; wenn aber Frauen sich offen als seine Feinde bekennen, dann werde ich bald auch ihre Leichen bespucken.«
Ishido fuhr auf der Stelle herum, rief den Grauen einen Befehl zu und stapfte davon. Sämtliche Graue formierten sich und entfernten sich vom Tor, bis auf eine Handvoll, die zu Ehren der Braunen zurückblieb.
»Dame«, rief Yabu mit unterdrückter Stimme, »Dame, es ist vorüber. Ihr habt … Ihr habt gewonnen. Habt gewonnen!«
»Ja … ja«, sagte sie. Ihre kraftlosen Hände versuchten die Knoten der weißen Schnur zu lösen. Chimmoko trat vor und knüpfte sie auf, nahm die weiße Decke fort und trat dann von dem scharlachroten Viereck herunter. Aller Augen waren auf Mariko gerichtet. Alle warteten darauf, ob sie es wohl fertigbrachte, allein fortzugehen.
Mariko versuchte, auf die Füße zu kommen. Es gelang ihr nicht. Sie versuchte es ein zweites Mal. Abermals schaffte sie es nicht. Kiri schickte sich impulsiv an, ihr zu helfen, doch Yabu gebot ihr mit einem Wink Einhalt und sagte: »Nein. Es ist ihr Vorrecht.« Daraufhin setzte Kiri sich wieder hin. Sie konnte kaum atmen.
Blackthorne, der immer noch am Tor stand, war überwältigt von seiner grenzenlosen Freude über ihr Entrinnen und erinnerte sich, wie sein eigener Wille sich an jenem Abend selbst übertroffen, als er so nahe daran gewesen war, Seppuku zu begehen, wie er sich trotz allem erhoben wie ein Mann und ohne Hilfe nach Hause gegangen war wie ein Mann. Und Samurai geworden war. Er beobachtete sie, hatte nichts als Verachtung übrig für die Notwendigkeit, soviel Mut aufzubringen, hatte aber gleichwohl Verständnis und größte Hochachtung vor ihr.
Er sah, wie ihre Hände sich wieder auf die scharlachrote Decke legten, sah, wie sie sich hochstemmte, und diesmal zwang Mariko sich aufzustehen. Sie wankte, und ums Haar wäre sie gefallen, dann setzten ihre Füße sich in Bewegung, trat sie langsam und schwankend aus dem scharlachroten Geviert heraus und torkelte hilflos auf das Haupttor zu. Blackthorne fand, jetzt habe sie genug getan, genug gelitten und genug bewiesen, und so trat er vor, fing sie in seinen Armen auf und hob sie in demselben Augenblick auf, da ihr die Sinne schwanden.
Einen Augenblick stand er allein in der Arena, stolz darauf, daß er allein war und daß er es gewesen, der seinen Entschluß gefaßt hatte. Wie eine zerbrochene Puppe lag sie in seinen Armen. Dann trug er sie hinein, und niemand bewegte sich oder versperrte ihm den Weg.
57. Kapitel
Der Überfall auf das Bollwerk der Braunen begann im dunkelsten Dunkel der Nacht – zwei, drei Stunden vor Morgengrauen. Die erste Welle von zehn Ninja – der berüchtigten ›Verschwiegenen‹ – kam über die Dächer der gegenüberliegenden Befestigungsanlagen, die jetzt nicht mehr von Grauen bewacht wurden. Sie warfen mit Stoff umwickelte Greifhaken an Seilen zum anderen Dach hinüber, und krochen wie die Spinnen über den Abgrund. Sie trugen enganliegende schwarze Anzüge, schwarze Tabi und schwarze Masken; Hände und Gesicht waren geschwärzt. Sie waren leicht bewaffnet, mit Kettenmessern und Shuriken – kleinen, sternförmigen, nadelscharfen und vergifteten Wurfscheiben von der Größe einer Männerhand. Auf den Rücken hatten sie sich Tragbeutel und kurze dünne Stäbe geschnallt.
Ninja waren käuflich. Sie waren Künstler der Heimlichkeit und Fachleute in allen Verruchtheiten – in Spionage, Infiltration und Meuchelmord.
Lautlos kamen die zehn Männer an. Vier von ihnen befestigten ihre Greifhaken an einem Mauervorsprung und kletterten lautlos zu einem sechs Meter darunter gelegenen Söller hinab. Die anderen schlichen über die Dachziegel, um in einen anderen Bereich des Bollwerks einzudringen.
Ein Ziegel knackte unter dem Fuß eines der Männer, alle erstarrten. Im Vorhof, drei Stockwerke oder beinahe zwanzig Meter unter ihnen, blieb Sumiyori bei seinem Rundgang stehen und blickte
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