Shogun
vor dieser Schande … daß ich ihn willkommen heißen und sein Gewicht auf mir fühlen und sein zuckendes Leben in mir spüren muß!
Schande?
Was ist die Wahrheit, Ochiba? fragte sie sich. Die Wahrheit ist, daß du ihn einmal begehrt hast … noch vor dem Taikō, neh? Und auch noch, während du mit ihm verheiratet warst, neh? Yodoko hatte recht, als sie sagte, daß Stolz dein eigentlicher Feind sei und daß du einen Mann brauchst, einen Gatten. Warum nicht Ishido? Er ehrt dich und verzehrt sich nach dir und wird den Sieg davontragen. Ihn könntest du mit Leichtigkeit gängeln. Neh? Nein, nicht diesen ungehobelten Sumpfbauern! Ach, ich kenne die dreckigen Gerüchte, welche die Feinde ausstreuen … abscheuliche, unverfrorene Gerüchte! Sei ehrlich, Ochiba! Denk über Toranaga nach! Haßt du ihn nicht gerade deshalb, weil er dich an jenem Traumtag vielleicht doch gesehen hat?
Das war vor über sechs Jahren in Kyushu. Sie war zusammen mit ihren Damen, dem Taikō und Toranaga auf der Vogelbeize gewesen. Die Jagdgesellschaft war weit auseinandergezogen und sie hinter einem ihrer Falken hergaloppiert. Dabei war sie von den anderen getrennt worden. Sie war über einen bewaldeten Hügel geritten, und dabei war sie plötzlich auf diesen Bauern gestoßen, der am Rande des verlassenen Pfades Beeren suchte. Ihr erster kränklicher Sohn war seit fast zwei Jahren tot, und in ihrem Leib regte sich nichts, wiewohl sie jede Stellung, jeden Trick und jedes Hilfsmittel ausprobiert, jeden Aberglauben, jeden Liebestrank und jedes Gebet, verzweifelt darauf bedacht, den besessenen Wunsch ihres Gebieters nach einem Erben zu erfüllen.
Auf diesen Bauern war sie völlig unerwartet gestoßen. Er hatte fassungslos zu ihr hinaufgeglotzt, als wäre sie ein Kami, und sie auf ihn hinunter, denn er hatte dem Taikō geradezu lächerlich ähnlich gesehen: Klein und wie ein Affe … nur jünger war er gewesen, wesentlich jünger.
Das ist das Geschenk des Himmels, um das du so inbrünstig gebetet hast, frohlockte sie. Sie war abgesessen, hatte ihn bei der Hand genommen und war ein paar Schritte in den Wald hineingegangen. Und dort hatte sie sich gebärdet wie eine läufige Hündin.
Alles war wie im Traum gegangen: Diese Raserei, diese Glut, diese Rücksichtslosigkeit, wie sie auf dem Boden gelegen. Noch heute vermeinte sie, sein spritzendes Feuer zu spüren, seinen süßen Atem, seine Hände, die sie gepackt hielten. Unversehens hatte sie dann sein volles Gewicht auf sich gespürt, und genauso unversehens war sein Atem dann stinkend gewesen, alles an ihm widerwärtig und abstoßend bis auf die Feuchtigkeit zwischen ihren Lenden, und sie hatte ihn von sich gestoßen.
Er hatte mehr gewollt, doch sie hatte ihn geschlagen, ihn verlacht und ihm gesagt, er solle den Göttern dankbar sein, daß sie ihn seiner Unverfrorenheit wegen nicht in einen Baum verwandle. Und da hatte der arme abergläubische Tölpel sich vor ihr auf die Knie geworfen und sie um Vergebung angefleht … denn selbstverständlich war sie ein Kami, wie sonst sollte eine solche Schönheit sich unter einem wie ihm im Dreck winden?!
Erschöpft war sie in den Sattel geklettert und hatte das Pferd fortgelenkt. Wie benommen war sie gewesen, der Mann und die Lichtung bald außer Sicht, und sie hatte sich bereits gefragt, ob nicht doch alles ein Traum gewesen. Und dann, auf der anderen Seite des Waldes, hatte Toranaga auf sie gewartet. Ob er sie gesehen hatte? Diese Frage fuhr ihr mit Schrecken in die Glieder.
»Ich hatte mir bereits Sorgen um Euch gemacht, Dame«, hatte er gesagt.
»Mir … mir fehlt nichts, ich danke Euch.«
»Aber Euer Kimono ist zerrissen … hinten an Eurem Rücken, und in Eurem Haar klebt ein Farnblatt.«
»Mein Pferd hat mich abgeworfen … weiter ist nichts.« Dann hatte sie ihn zu einem Rennen herausgefordert und war nach Hause galoppiert, um ihm zu beweisen, daß wirklich alles in Ordnung mit ihr sei. Wie ein Sturm war sie dahingebraust. Ihr Rücken schmerzte noch von den Dornenranken, doch süße Öle hatten den Schmerz bald gelindert, und noch in derselben Nacht hatte sie mit ihrem Herrn und Gebieter das Kopfkissen geteilt, und neun Monate später hatte sie zu seiner und zu ihrer eigenen ewigen Freude Yaemon das Leben geschenkt. »Selbstverständlich ist unser Gatte Yaemons Vater«, hatte Ochiba mit völliger Gewißheit zu der schweigenden Yodoko gesagt. »Er hat meine beiden Kinder gezeugt … alles andere war ein Traum.«
Warum dir etwas
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