Shogun
Barbar!
Ohne Zweifel: Wären er und der geheime Schlupfwinkel nicht gewesen, würde die Dame Mariko in Gefangenschaft geraten sein. Sie alle. Meine Pflicht als Samurai gebietet es mir, den Anjin-san zu ehren dafür, daß er Samurai ist. Neh? Gott verzeih mir, daß ich nicht hingegangen bin, für Mariko als Sekundant zu fungieren, wie es meine Christenpflicht gewesen wäre. Der Ketzer hingegen half ihr, wie Christus anderen geholfen hat, wohingegen ich, Kiyama, sie im Stich gelassen habe. Wer ist der Christ?
Ich weiß es nicht. Trotzdem, er muß sterben.
»Was ist mit Herrn Toranaga, Herr Kiyama?« fragte Ishido nochmals. »Was ist mit dem Feind?«
»Was ist mit dem Kwanto?« stellte Kiyama die Gegenfrage und ließ ihn nicht aus den Augen.
»Sobald Toranaga vernichtet ist, schlage ich vor, daß der Kwanto an einen der Regenten fällt.«
»An welchen Regenten?«
»An Euch«, erwiderte Ishido schmeichelnd, um dann freilich hinzuzufügen: »Oder vielleicht an Zataki, den Herrn von Shinano.« Das zu sagen hielt Ishido für klug, denn solange Toranaga lebte, waren sie sehr auf Zatakis Hilfe angewiesen; und Ishido hatte ihm bereits vor einem Monat gesagt, Zataki habe als Gegenleistung für seine Unterstützung den Kwanto verlangt. Gemeinsam waren sie übereingekommen, daß Ishido ihn ihm versprechen sollte. Beide waren gleichermaßen der Meinung, daß Zataki um seiner Unverschämtheit willen bei nächster Gelegenheit sein Leben und seine Provinz verlieren müsse.
»Selbstverständlich habe ich kaum solche Ehre verdient«, sagte Kiyama und überlegte, wer im Raum für und wer gegen ihn war.
Onoshi versuchte, seine Mißbilligung für sich zu behalten. »Ja, aber das liegt in weiter Ferne. Was wird der gegenwärtige Herr des Kwanto unternehmen?« Ishido sah Kiyama immer noch an. »Nun?«
Kiyama spürte Zatakis Feindseligkeit, wiewohl im Gesicht seines Feindes nichts davon zu sehen war. Zwei gegen mich, dachte er, und Ochiba, aber die hat ja keine Stimme. Ito wird immer für das gleiche stimmen wie Ishido, folglich gewinne ich … falls Ishido meint, was er behauptet. Tut er das? fragte er sich, forschte in dem harten Gesicht vor ihm und versuchte, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Dann traf er seine Entscheidung und verkündete offen: »Herr Toranaga wird niemals nach Osaka kommen.«
»Gut«, sagte Ishido. »Dann ist er isoliert, wird geächtet, und die kaiserliche Aufforderung, Seppuku zu begehen, braucht vom Erhabenen nur noch unterschrieben zu werden. Das wäre dann das Ende Toranagas und seines Geschlechts. Ein für allemal!«
»Ja. Falls der Sohn des Himmels nach Osaka kommt.«
»Was?«
»Ich teile Herrn Itos Meinung«, sagte Kiyama, der Ito lieber als seinen Verbündeten, denn als seinen Feind sehen wollte. »Herr Toranaga ist schlau wie ein Fuchs. Ich halte es durchaus für möglich, daß er es mit List und Tücke sogar fertigbringt zu verhindern, daß der Erhabene hierherkommt.«
»Unmöglich!«
»Und wenn seine Ankunft nur verschoben wird?« fragte Kiyama. Schadenfreude erfüllte ihn ob Ishidos Verlegenheit – und Verachtung, daß er versagt hatte.
»Der Sohn des Himmels wird, wie geplant, hier eintreffen.«
»Und wenn der Sohn des Himmels es nicht tut?«
Die Dame Ochiba fragte: »Wie sollte Herr Toranaga das anstellen?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn der Erhabene möchte, daß seine Ankunft um einen Monat verschoben wird … was sollten wir dagegen tun? Hat Herr Toranaga sich nicht auch schon früher als ein Meister der Unterwanderung erwiesen?«
Grabesstille herrschte im Raum. Die Ungeheuerlichkeit dieses Gedankens und seiner Auswirkungen hielt sie alle im Bann.
»Verzeiht, bitte, aber … wie reagieren wir darauf?« Ochiba sprach für sie alle.
»Mit Krieg!« erklärte Kiyama. »Wir machen heute noch mobil … Wir warten, bis der Besuch verschoben wird, was bestimmt geschehen wird. Das ist für uns dann das Signal, daß Toranaga den Allerhöchsten umgestimmt hat. Am selben Tag marschieren wir gegen den Kwanto.«
Plötzlich begann der Boden zu zittern.
Der erste Erdstoß war leicht und dauerte nur wenige Augenblicke, aber immerhin schrie das Gebälk auf.
Gleich darauf kam es zu einem zweiten, heftigeren Stoß. Ein Riß sprang in der Mauer hoch. Von den Sparren rieselte Staub herunter. Dielenbretter, Balken und Ziegel krachten, und einige Ziegel rutschten vom Dach herunter und zerscherbten unten im Vorhof.
Ochiba fühlte sich von Schwäche und Übelkeit übermannt und dachte
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