Shogun
sagen, Toranagas Frauen und Toda Mariko würden abgereist sein und andere wären ihrem Beispiel nicht gefolgt?«
»Was mit diesen Frauen auch immer geschehen wäre … Herrn Toranaga würde das nicht um so viel von seinem Ziel abbringen. Wir müssen uns unserer Verbündeten wegen Gedanken und Sorgen machen! Ohne den Überfall der Ninja und die drei Seppuku wäre dieser ganze Unsinn wirkungslos verpufft.«
»Der Meinung bin ich nicht!«
»Drittens und letztens: Wenn Ihr jetzt, nach dem, was die Dame Etsu öffentlich gesagt hat, nicht jedermann ziehen laßt, werden die meisten Daimyos Euch schuldig sprechen und – selbstverständlich nicht öffentlich – erklären, Ihr hättet diesen Überfall befohlen.«
»Ich habe es nicht nötig, mich auf Ninja zu verlassen.«
»Selbstverständlich nicht«, pflichtete Onoshi ihm mit Gift in der Stimme bei. »Ich auch nicht, auch sonst niemand von den Anwesenden. Trotzdem halte ich es für meine Pflicht, Euch darauf hinzuweisen, daß es zweihundertundvierundsechzig Daimyos gibt, die Stärke des Erben in einem Bündnis von vielleicht zweihundert von ihnen liegt und der Erbe es sich nicht leisten kann, daß man Euch, seinen getreuesten Standartenträger und Oberkommandierenden, solch schmutziger Machenschaften für fähig hält … und obendrein auch noch für ungeheuerlich unfähig, denn schließlich ist der Überfall ein Schlag ins Wasser gewesen.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, ich hätte den Überfall befohlen?«
»Selbstverständlich nicht, tut mir leid. Ich habe nur gesagt, daß man Euch, wenn Ihr nicht jedermann ziehen laßt, für den Schuldigen halten wird.«
»Ist hier jemand, der glaubt, daß ich den Überfall befohlen habe?« Niemand wagte es, Ishido offen herauszufordern. Beweisen ließ sich nichts. Aber alle wußten und waren gleichermaßen erbost darüber, daß er die Dummheit besessen, eine Schlappe zu riskieren – alle, bis auf Zataki. Trotzdem war Ishido immer noch Herr von Osaka und Hüter des Schatzes des Taikō. Folglich konnte man ihm nichts anhaben und ihn nicht beseitigen.
»Gut«, sagte Ishido, und das ließ keinen Widerspruch zu. »Die Ninja waren also auf Beute aus. Über die Pässe werden wir abstimmen. Ich bin dafür, daß sie zurückgezogen werden.«
»Ich bin anderer Meinung«, erklärte Zataki.
»Tut mir leid, aber ich bin auch dagegen«, sagte Onoshi.
Ito errötete, als alle ihn erwartungsvoll ansahen. »Ich muß Herrn Onoshi zustimmen, freilich, auf der anderen Seite, es ist alles sehr schwierig, neh?«
»Entscheidet Euch!« sagte Ishido grimmig.
»Ich stimme Euch zu, Herr General.«
Kiyama sagte: »Tut mir leid, aber ich nicht.«
»Gut«, sagte Onoshi. »Das wäre erledigt. Allerdings stimme ich Euch darin zu, Herr General, daß wir andere drängende Probleme haben. Wir müssen wissen, was Herr Toranaga jetzt tun wird. Wie ist Eure Meinung?«
Mit verbissenem Gesicht starrte Ishido Kiyama an. Dann sagte er: »Wie lautet Eure Antwort darauf?«
Kiyama versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen, um sich jetzt endgültig zu entscheiden: Ishido oder Toranaga. Lebhaft erinnerte er sich daran, wie Mariko über Onoshis vorgeblichen Verrat geredet hatte, über Ishidos vorgebliches Doppelspiel und Toranagas vorgeblichen Beweis für dieses Doppelspiel ihm gegenüber, über den Barbaren und sein Schiff … und darüber, was mit dem Erben und der Kirche geschehen könnte, falls Toranaga das Reich beherrschte, und was mit ihrem Gesetz geschehen würde, wenn die Jesuiten-Patres das Land beherrschten. Überdies mußte er an die Ängste des Paters Visitator denken, was den Ketzer und sein Schiff betraf, und an die Überzeugung des Generalkapitäns, der Anjin-san sei eine Ausgeburt des Teufels, Mariko verhext und auch Rodrigues verhext. Arme Mariko, dachte er traurig, nach solchen Leiden einen solchen Tod zu finden. Madonna, erbarme Dich ihrer! Diesen Sommers viele Tränen!
Und was war mit Achiko? Hatte der Anführer der Ninja es besonders auf sie abgesehen gehabt, oder war es ein Tod unter vielen? Aber warum ist der Barbar noch am Leben? Warum haben die Ninja ihn geschont? Eigentlich hätten sie Befehl haben müssen, ihn umzubringen, wenn Ishido der Urheber des dreckigen Überfalls war, wie er es selbstverständlich gewesen sein muß. Eine Schande für Ishido, dann auch noch nicht einmal zum Ziel zu kommen! Ah, welchen Mut dagegen Mariko bewiesen hat, und wie klug sie es verstanden hat, sie alle in ihr Netz zu verstricken! Und der
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