Shogun
ist eine dreckige Sache, das Bushido zu mißbrauchen.«
»Ihr seid auch Samurai?«
»Jawohl, Senhor, ich habe diese Ehre«, erklärte Michael. »Mein Vater war ein Cousin von Herrn Kiyama, und mein Klan lebt in der Provinz Hizen auf Kyushu.«
Der Hauptmann ihrer Eskorte kam zu ihnen zurück. »Bitte, verzeiht, Anjin-san, aber belästigt dieser Bursche Euch?«
»Nein. Nein, vielen Dank.« Blackthorne setzte sich wieder in Bewegung. Abermals wurde in aller Höflichkeit sein Paß kontrolliert, und weiter ging es.
Die Sonne neigte sich, wiewohl bis zum Einsetzen der Dunkelheit noch etliche Stunden Zeit war. Staubteufelchen wirbelten in den winzigen Spiralen der erhitzten Luftströmungen. Sie kamen an vielen Pferdeställen vorüber. Die Pferde blickten nach draußen, Lanzen, Speere und Sättel lagen bereit, und Samurai striegelten die Pferde und putzten das Sattelzeug. Blackthorne war überwältigt von ihrer Vielzahl.
»Wie viele Pferde, Hauptmann?« fragte er.
»Tausende, Anjin-san. Zehn-, zwanzig-, dreißigtausend.«
Als sie den vorletzten Wallgraben überquerten, winkte Blackthorne Michael zu sich heran. »Ihr bringt mich zu der Galeere?«
»Ja. So ist es mir aufgetragen, Senhor.«
»Wer hat es Euch aufgetragen?«
»Herr Kiyama. Und der Pater Visitator, Senhor.«
»Ah, der also. Mir ist es lieber, Ihr sagt Anjin-san zu mir und nicht Senhor, Pater.«
»Bitte, verzeiht mir, Anjin-san, aber ich bin kein Pater. Ich bin nicht ordiniert.«
»Wann geschieht das?«
»Wann Gott will«, sagte Michael zuversichtlich.
»Wo ist Yabu-san?«
»Das weiß ich nicht, tut mir leid.«
»Und Ihr bringt mich wirklich nur zum Schiff und nirgendwo anders hin?«
»Ja, Anjin-san.«
»Und dann bin ich frei? Kann gehen, wohin ich will?«
»Man hat mir aufgetragen, Euch zum Schiff zu geleiten, weiter nichts. Ich bin nur ein Bote, ein Führer.«
»Wo habt Ihr so gut portugiesisch sprechen gelernt? Und Latein?«
»Ich war einer von den vier … einer von den vier Priesterschülern, die vom Pater Visitator nach Rom geschickt wurden. Ich war dreizehn, Uraga-noh-Tadamasa zwölf.«
»Ah, jetzt erinnere ich mich. Uraga-san hat mir davon erzählt. Ihr wart sein Freund. Ihr wißt, daß er tot ist?«
»Ja. Ich war ganz krank, als ich davon hörte.«
»Das haben Christen getan.«
»Mörder haben es getan, Anjin-san. Mörder. Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen, keine Angst.«
Nach einer Weile sagte Blackthorne: »Wie hat es Euch in Rom gefallen?«
»Ich habe es verabscheut. Das haben wir alle. Alles an Rom … das Essen und den Schmutz. Sie sind dort alle nur Eta … unglaublich! Wir brauchten acht Jahre, um hin- und wieder zurückzukommen, und ach, wie ich die Madonna gepriesen habe, als wir endlich wieder hier waren.«
»Und die Kirche? Die Patres?«
»Verabscheuungswürdig. Viele von ihnen«, sagte Michael ruhig. »Ich war entsetzt über ihre Moral, ihre Liebchen, ihre Gier und ihren Aufwand, ihre Heuchelei und ihre mangelnden Manieren … über ihre doppelte Moral – eine für die Herde und die andere für den Hirten. Es war alles hassenswert … und doch habe ich unter ihnen Gott gefunden – in den Kathedralen und Klöstern und unter den Patres.« Ohne Arg sah Michael sich um; ein unendliches Zartgefühl durchdrang ihn. »Nur höchst selten, Anjin-san, nur selten habe ich einen Abglanz davon gefunden, das stimmt. Aber ich habe die Wahrheit und Gott gefunden, und ich weiß, daß das Christentum der einzige Weg zum ewigen Leben ist … bitte, verzeiht mir, das katholische Christentum.«
»Habt Ihr die Inquisition erlebt … oder die Gefängnisse … oder die Hexenprozesse?«
»Ich habe viele furchtbare Dinge gesehen. Nur sehr wenige Menschen sind weise … die meisten sind Sünder, und viel Böses geschieht auf Erden im Namen Gottes. Aber es kommt nicht von Gott. Diese Welt ist ein Tränental und nur eine Vorbereitung auf den ewigen Frieden.« Schweigend betete er einen Augenblick, und dann blickte er auf. »Selbst einige Ketzer können gut sein, neh?«
» Mag sein«, sagte Blackthorne. Michael gefiel ihm.
Der letzte Wallgraben und das letzte, das südliche Haupttor. Der letzte Kontrollposten; und sein Paß wurde ihm abgenommen. Michael ging unter dem letzten Fallgitter hindurch. Blackthorne folgte ihm. Draußen vor der Burg warteten hundert Samurai – Kiyamas Leute. Er sah ihre Kreuze, spürte ihre Feindseligkeit und blieb stehen. Michael dagegen nicht. Der Offizier winkte Blackthorne
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