Shogun
einladenden Strohsack darauf.
Ach, bin ich müde!
Schlaf doch diese eine Stunde lang, riet ihm der Teufel in ihm. Und wenn es nur für zehn Minuten ist – dann bist du wieder frisch für eine Woche! Tagelang hast du jetzt nur ein paar Stunden geschlafen, und den größten Teil davon auch noch oben an Deck in der Kälte. Du mußt schlafen. Schlaf! Sie sind auf dich angewiesen …
»Ich werde nicht schlafen! Das tue ich morgen«, sagte er laut und zwang seine Hände, seine Kommode aufzuschließen und seine Kurskarte herauszunehmen. Er sah, daß die andere, der portugiesische roteiro , sicher und unberührt dalag, und das erfreute ihn. Er nahm einen sauberen Federkiel und hob an zu schreiben: »21. April A.D. 1600. Fünfte Stunde. Abenddämmer. Den 133. Tag von Santa Maria, Chile, entfernt, auf dem 32. Grad nördlicher Breite. Die See immer noch hoch, der Wind kräftig, das Schiff getakelt wie bisher. Die Farbe der See ein mattes Graugrün und bodenlos. Wir laufen immer noch auf einem Kurs von 270 Grad vorm Wind, drehen leicht nach Nordwest ab, kommen rasch voran, laufen zur Zeit etwa zwei Leguas von je drei Seemeilen. Wie ein Dreieck geformte große Riffe zur halben Stunde gesichtet in einer Entfernung von einer halben Legua Nordost bei Nord.
Heute nacht sind drei Männer am Skorbut gestorben: Joris, der Segelmacher, Reiss, der Kanonier, und de Haan, Zweiter Steuermann. Nachdem wir ihre Seelen Gott anempfohlen hatten und da der Generalkapitän immer noch darniederliegt, übergab ich sie ohne Leichentücher der See, denn es war niemand da, der sie hätte einnähen können. Heute starb der Bootsmannsmaat Rijckloff.
Konnte heute die Höhe der Sonne mittags nicht messen, denn der Himmel war wieder überzogen. Aber ich schätze, wir befinden uns immer noch auf dem richtigen Kurs, und die japanischen Inseln müßten bald auftauchen …«
»Aber wie bald?« fragte er die Schiffslaterne, die über seinem Kopf baumelte und mit dem Rollen des Schiffes hin und her schwankte. Wie jetzt eine Karte zeichnen? Es muß einen Weg geben, sagte er sich wohl zum tausendsten Mal. Wie den Längengrad bestimmen? Es muß einen Weg geben! Wie das Gemüse frisch erhalten? Was ist Skorbut …?
»Man sagt, es sei die Seepest, mein Junge«, hatte Alban Caradoc gesagt. Er war ein Mann mit einem mächtigen Bauch, einem großen Herzen und einem zotteligen grauen Bart gewesen.
»Aber könnte man das Gemüse nicht kochen und die Brühe aufheben?«
»Sie verdirbt, mein Junge. Kein Mensch hat es je geschafft, sie aufzuheben.«
»Man sagt, Francis Drake wird bald auslaufen.«
»Nein, du kannst nicht mitfahren, mein Junge!«
»Ich bin fast vierzehn. Ihr habt Tim und Watt erlaubt, bei ihm anzumustern, und er braucht noch Piloten-Lehrlinge.«
»Die sind schon sechzehn. Und du bist kaum dreizehn.«
»Es heißt, er soll versuchen, die Magellanstraße zu durchfahren und dann die Küste entlang in unerforschte Gebiete vorzustoßen – bis nach Kalifornien –, um die Straße von Anian zu finden, welche den Stillen Ozean mit dem Atlantik verbindet. Von Kalifornien bis ganz hinauf nach Neufundland, die Nordwestpassage schließlich …«
»Von der man annimmt, daß es sie gibt, diese Nordwestpassage, mein Junge! Bis jetzt hat kein Mensch bewiesen, daß es sie wirklich gibt.«
»Er wird es schaffen. Er ist jetzt Admiral, und wir werden das erste englische Schiff sein, das die Magellanstraße durchfährt, das erste auf dem Stillen Ozean, das erste … nie wieder wird sich mir eine solche Chance bieten …«
»Aber selbstverständlich wird das geschehen, und er wird niemals hinter Magellans Geheimnis kommen, es sei denn, es gelingt ihm, einen roteiro zu stehlen oder einen portugiesischen Piloten gefangenzunehmen, der ihn hindurchlotst. Wie oft muß ich es dir noch sagen – ein Pilot muß Geduld haben! Lerne, dich in Geduld zu fassen, mein Junge, du hast noch viele …«
»Bitte!«
»Nein!«
»Warum?«
»Weil er zwei, drei Jahre fortbleiben wird, vielleicht noch länger. Die Schwachen und die Jungen werden das schlechteste Essen bekommen und am wenigsten vom Wasser. Und von den fünf Schiffen, die auslaufen, wird nur seines zurückkommen. Du würdest es niemals überleben, mein Junge, niemals …«
»Dann werde ich nur auf seinem Schiff anheuern. Ich bin kräftig. Er nimmt mich bestimmt!«
»Hör zu, mein Junge. Ich bin unter Drake auf der Judith gefahren, seinem Fünfzigtonner, bei San Juan de Ulua, wo wir und Admiral Hawkins –
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