Shon'jir – die sterbende Sonne
VIELE!
»She'pan!« rief Niun aus, und Tränen brannten ihm in den Augen. Und doch bewegte er sich nicht, atmete tief, um seine Schwäche zu überwinden, spürte Duncans Hand auf der Schulter, die ihm anbot, was auch immer den Menschen bewegte, und nach einem Moment wurde er sich dessen bewußt. Freude, dachte er; Duncan freute sich für sie. Das rührte ihn, und gleichzeitig ärgerte ihn die menschliche Berührung. – Mensch.
Bevor er An-ehon sprechen gehört hatte, hatte er keine Abneigung gegen Duncans Menschsein verspürt; bevor er erfahren hatte, daß es noch andere Mri gab, hatte er den Unterschied zwischen sich und Duncan nicht so kraß empfunden.
Scham überkam ihn, daß er mit dem Menschen im Gefolge vor andere des Volkes treten sollte – selbstbezogene Scham, ehrlos und schmerzlich. Vielleicht erkannte Duncan sie sogar. Niun hob den Arm, legte ihn in gleicher Weise auf Duncans Schulter und drückte sie mit den Fingern.
»Sov-kela«, sagte er mit leiser Stimme.
Der Mensch sagte nichts. Vielleicht fand auch er keine Worte.
»An-ehon«, redete Melein die Maschine an, »wo sind sie jetzt?«
Eine Graphik blitzte auf dem Zentralschirm auf; Punkte blitzten.
Zehn, zwanzig Stellen. Der Globus formte sich, drehte sich im Blickfeld, und noch andere Stellen tauchten auf.
»Es gab keine Energiespuren an diesen Stellen«, murmelte Duncan. Niun verstärkte den Druck seiner Hand, mahnte ihn zum Schweigen.
Melein drehte sich zu ihnen um und wies sie mit geöffneten Händen fort. »Geht! Wartet unten!«
Vielleicht war es wegen Duncan; aber es war eher wahrscheinlich, daß jetzt Sen-Angelegenheiten begannen, die das Kel nichts angingen.
Das Volk hatte überlebt.
Melein würde es führen; es fiel Niun plötzlich ein, daß er all das Geschick brauchen würde, das ihn seine Meister gelehrt hatten – daß er als erstes, nachdem das Volk gefunden war, würde töten müssen; und das war bitterer, als das Töten je zuvor für ihn gewesen war.
»Komm!« sagte er zu Duncan. Er beugte sich herab, um das Pan'en selbst in die Arme zu nehmen, vertraute ihre Sicherheit jetzt der Stadt an, die Melein gehorchte.
»Nein«, sagte Melein. »Laß es hier!«
Er gehorchte, führte Duncan hinaus und wieder hinab, wo sie ihre anderen Sachen gelassen hatten; und dort bereiteten sie sich darauf vor, zu warten.
* * *
Die Nacht senkte sich auf sie herab. Nichts regte sich im Sen-Turm. Niun saß da und sorgte sich über Meleins langes Schweigen, und Duncan wagte es nicht, ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen. Einmal überließ Niun ruhelos dem Menschen das Wachehalten und stieg zur Kel-Halle hinauf. Dort war nur Leere; der Raum war ungeheuer viel größer als die erdwandige Kel-Halle, die er zuvor gekannt hatte. An die Wände waren Bilder gemalt, Karten, vom Alter verblaßt, und sie zeigten eine Welt, die zu bestehen aufgehört hatte. Der Anblick bedrückte ihn.
Er verließ diesen Ort wieder, fürchtete um Duncan, allein in der Haupthalle, machte sich die gewundene Rampe hinab auf den Weg. Ein zwitscherndes mechanisches Ding stürzte hinter ihm hervor... er wirbelte herum und griff zur Pistole, aber es war nur ein Automat, ein Reinigungsgerät, wie es auch die Regul benutzten. Es beantwortete die Frage, was das Gebäude sauberhielt und die Reparaturen durchführte, die die alten Maschinen in Gang hielten.
Er zuckte die Achseln, ein halbes Schaudern, und ging zu Duncan hinunter – überraschte den Menschen, der sich dann wieder zurücklehnte, bekümmert und erleichtert zugleich.
»Ich wünschte, die Dusei kämen zurück«, meinte Duncan.
»Ja«, stimmte Niun zu. Ohne die Tiere waren sie eingeschränkt. Sie wagten es nicht, die äußere Tür unbewacht zu lassen. Er blickte in diese Richtung, in der nur die Nacht wartete, und fing dann an, ihre Bündel zu durchsuchen. »Ich möchte der She'pan etwas zu essen hinaufbringen. Ich denke nicht, daß wir heute nacht weitergehen. Und achte darauf, es treiben sich hier einige kleine Maschinen herum! Ich halte sie für harmlos. Beschädige keine!«
»Mir fällt ein«, sagte Duncan ruhig, »daß An-ehon gefährlich sein könnte, wenn sie wollte.«
»Das denke ich auch.«
»Sie sagte... daß sie dem Schiff erlaubt hat zu landen. Das bedeutet, daß sie es hätte verhindern können.«
Niun holte langsam Luft und ließ sie wieder fahren, nahm ein Essenspäckchen und eine Flasche, während Duncans Worte an ihm nagten. Der Mensch hatte es gut gelernt, seine Gedanken nicht auf dem Gesicht zu
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