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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Regul-Innenräumen. Das Atmen fiel ihm schwer, denn die Luft war dick und roch beißend nach unvertrauten chemischen Düften. In seiner Verwirrung stützte er sich an die Wand, als ihn sein eigenes Dus beiseitestieß – und vor sich, weit unten im Korridor, erblickte er ein weiteres Dus, das den breiten Kopf aus einer Tür herausstreckte. Das seine watschelte los, um sich zu dem anderen zu gesellen, zeigte sich recht fröhlich.
    Er hatte es gewußt: irgendwo in der drogenverschleierten Tiefe seines Inneren hatte er die Anwesenheit des anderen gespürt, die ihn beruhigte und an ihm zerrte. Zwei Dusei, eines davon bei Melein, die einmal zum Kel gehört hatte, die immer noch solch ein Tier anfassen konnte.
    Es war ein langer Weg, der längste, den er je versucht hatte; er stieß sich von der Wand ab und ging zu dieser Tür, lehnte sich an den Türrahmen und sah hinein.
    Melein, die She'pan.
    Sie lebte wahrhaftig noch; sie schlief – voll bekleidet in ihrer Einfachheit, ihren zerlumpten gelben Gewändern der Sen-Kaste, die sie überdauert hatte. Sie war so zerbrechlich geworden, dachte Niun schmerzlich, so dünn; es war eine Sache, wenn ein Kel'en verletzt wurde, hungerte oder mit Drogen betäubt wurde – aber daß sie mit ihr so umgegangen waren: Zorn schwellte in ihm empor, so daß er für einen Moment nicht sehen konnte, und die Dusei stöhnten und zogen sich in die Ecke zurück.
    Er verließ seinen Platz am Eingang, kam herbei und sank neben ihrem Bett auf die Knie, wo sie auf der Seite schlief, den Kopf auf einem Arm liegend. Die Dusei kehrten zurück und schlossen ihn eng ein; und er berührte die schlanken Finger ihrer geöffneten Hand.
    Ihre goldenen Augen öffneten sich und blinzelten vor Überraschung. Zuerst schien sie verwirrt zu sein, streckte dann die Hand aus und faßte an sein nacktes Gesicht, als wolle sie prüfen, ob er ein Traum war oder nicht.
    »Niun«, flüsterte sie. »Niun!«
    »Was soll ich tun?« fragte er sie, zitterte fast vor Angst vor dieser Frage, denn er war nur ein Kel'en und konnte keine Entscheidungen treffen. Er war die Hand des Volkes, und sie war des Volkes Verstand und Herz.
    Wenn sie nicht leben wollte, würde er sie und sich töten. Aber er sah den kalten, klaren Blick ihrer Augen, und dies war nicht der Blick einer Besiegten.
    »Ich habe auf dich gewartet«, berichtete sie ihm.
    * * *
    Niun nahm die Dusei mit. Sie gingen, eines hinter dem anderen, vor ihm her, denn sie waren zu groß, um im Korridor nebeneinander zu gehen. Ganz langsam klickten die Klauen auf dem harten Boden. Durch ihren seltsamen Sinn wußten sie, wen er suchte – wußten auch, daß dies keine Jagd im Sinn eines Spieles war, mit einer Tötung am Schluß; und doch waren sie beunruhigt, vielleicht weil sie mit dem gegangen waren, den sie jetzt jagten.
    Und sie begegneten Duncan im engen Gang direkt hinter einer Biegung.
    So vertrauensselig, wie er daherkam, wollte er vielleicht gerade nach ihnen sehen. Er war nicht bewaffnet; er war es nie gewesen, erinnerte sich Niun mit plötzlicher Verwirrung in seinem Zorn. Und vielleicht hatte Duncan sie zu diesem Moment verführt, hatte darauf gewartet. Er schien zu wissen, wie die Dinge zwischen ihnen lagen: er stand reglos vor den Dusei, wartete darauf, daß Niun sagte oder tat, was er wollte. Sicherlich wußte er, daß sein Leben in Gefahr war.
    »Es ist sonst niemand an Bord«, erinnerte ihn Niun, forderte ihn mit seiner eigenen Behauptung heraus.
    »Ja. Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
    Duncan hatte Angst. Die Dus-Gefühle waren drükkend und schwer. Er gab jedoch seiner Furcht nicht nach – das würde ihn das Leben gekostet haben.
    »Yai!« rief Niun die Dusei zurück, zog ihre Aufmerksamkeit aus dieser ausschließlichen und gefährlichen Konzentration zurück. Sie schwankten nervös, und das Gefühl entspannte sich. Sie würden ihm nicht trotzen. »Duncan«, sage er daraufhin, so direkt, wie er zu einem Bruder des Kel sprechen würde, »was hast du mit uns zu machen gehofft?«
    Duncan zuckte auf Menschenart die Achseln, zeigte ein schwaches, müdes Zucken der Lippen. Mit seinem nackten Gesicht sah er aus wie ein Mann, dessen Körper oder dessen Geist lange keine Ruhe mehr gehabt hatte. Er war manchmal naiv, dieser Mensch Duncan, aber er wäre dazu in der Lage gewesen, auf sich aufzupassen, und wußte sicherlich, daß er das hätte tun sollen. Niun legte seine Gedanken an Gewalt für den Moment beiseite.
    »Ich wollte«, sagte Duncan, »euch nicht in die

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