Shon'jir – die sterbende Sonne
aber die meisten Kel'ein hatten bis dahin reichlich Ehre errungen. Niun hatte nichts erlangt, mit dem er stolz in die Dunkelheit gehen könnte. Alles, was er fast gewonnen hatte, hatte er wieder verloren – war gefangengenommen worden, hatte zugelassen, daß die She'pan ergriffen wurde. Er hätte sterben sollen.
Aber nicht hier, nicht so.
»Es war nicht dein Fehler«, sagte Duncan.
»Ich habe zu lange gelebt«, antwortete Niun, was der Wahrheit entsprach: sowohl er als auch Melein hatte ihre Rasse überlebt, das Volk überlebt; und das war bittere Wirklichkeit. Er wußte nicht, wozu sich Melein entschließen würde, wenn sie ihn wiederfand, oder was sie ihm zu tun befehlen würde. Er blickte Duncan bedauernd an. Er sah, daß Duncans Augen vor Müdigkeit schattig waren, daß er zerzaust war, als hätte er wenig geschlafen. Im Moment sah er verwirrt aus.
»Die Regul hätten dich gefangen«, sagte Duncan rauh. »Ich hatte die Möglichkeit, dich zu meinem Volk zu bringen, und ich habe sie ergriffen. Die She'pan hat nicht protestiert. Sie wußte, was ich tat.«
Diese Behauptung erschütterte Niuns Vertauen in vertrauenswürdige Dinge. Er starrte Duncan für einen Moment an und legte schließlich seinen Stolz ab, stellte Fragen, wie er es bei einem Bruder des Kel tun würde.
»Wo sind meine Waffen?«
»Alles, was dir gehört, ist hier«, sagte Duncan. »Ich bringe dir deine Waffen sofort, wenn du darauf bestehst. Aber du warst im Halbschlaf und du warst krank, und ich dachte, daß du vielleicht nicht weißt, wo du bist, oder nicht verstehst, was vorgeht. Ich hasse es, durch ein Mißverständnis erschossen zu werden.«
Das war zumindest vernünftig. Niun atmete vorsichtig kontrolliert aus und erinnerte sich daran, daß dieser Mensch dazu neigte, die Wahrheit zu sagen, entgegen der Erfahrung des Volkes mit Tsi'mri. »Ich bin nicht mehr krank«, sagte er.
»Willst du, daß ich gehe und deine Waffen hole?«
Niun dachte darüber nach, starrte in Duncans nacktes Gesicht; er hatte ihn herausgefordert... Duncan hatte mit einem Angebot geantwortet, obwohl seine Aufrichtigkeit beleidigenderweise angezweifelt worden war. »Nein«, sagte Niun und versuchte, sich zu entspannen. »Du gehst und kommst viel; wenn du wieder einmal kommst, bringst du sie.«
»Ich würde es vorziehen«, meinte Duncan, »zu warten, bis ich sicher bin, daß es dir gut geht. Dann werde ich sie bringen.«
Niun wandte unglücklich den Blick ab. Mit nacktem Gesicht empfand er die Hilflosigkeit seiner nutzlosen Glieder und lag still, gezwungen, die Situation zu akzeptieren. Das Dus regte sich, unbehaglich durch seinen Schmerz. Er streckte die Hand aus und tröstete es.
»Ich habe etwas zum Essen gebracht«, sagte Duncan. »Ich möchte, daß du ißt.«
»Ja«, stimmte Niun zu. Er warf sich in die Kissen, als Duncan hinaus in den Korridor ging, um zu holen, was er gebracht hatte; er nutzte den Moment, um zu Atem zu kommen, und hatte sich beruhigt, als Duncan zurückkam. Er war entschlossen, aus eigener Kraft zu essen, obwohl die Hand zitterte, als er die Schüssel nahm.
Es gab kaltes Obst von fremden Welten, von dessen Schmackhaftigkeit er gehört, das er aber nie gegessen hatte; es gab eine Art Brot, zu weich für seinen Geschmack und dick, aber man konnte es leicht essen; und Soi gab es, für das er eine Vorliebe hatte. Er nahm die Tasse mit dem bittersüßen Getränk in beide Hände und trank sie völlig aus, denn es war das einzige vertraute Kesrithi, selbst wenn es regul war, und er wußte, daß es ihm gut tat. Er hatte seinem miß- brauchten Magen viel zugemutet; er lag völlig reglos, nachdem er gegessen hatte, weil er vermutete, daß Stilliegen die einzige Möglichkeit war, das Essen zu behalten.
»Unter diesen Umständen«, sagte Duncan, nahm das Tablett und stellte es auf den Tisch, wo sofort das Dus anfing, es zu begutachten, »wirst du dich schnell genug erholen.« Er rettete das Tablett und brachte es in den Korridor hinaus, gefolgt von dem Verräter Dus mit dieser trauernden Gangart und gesenktem Kopf, das auf Mitgefühl hoffte.
Niun schloß die Augen und ruhte sich aus, hörte Aktivitäten weiter hinten im Korridor, maß die Entfernung bis dorthin. Geschirr klapperte; Stimmen konnte er nicht hören, nur das explosive Bellen eines Dus, mit dem die Tiere ihre eigenen Gefühle ausdrückten.
Melein? fragte er sich verzweifelt. Er hatte eine Frage gestellt; und die Frage nach seinen Waffen war abgewiesen worden. Er würde seine Ängste
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