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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mandler
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geht, werde ich auf sie statt auf ihre Idole feuern. Auf sie statt auf ihre Fußballer, Models, ihre Musiker, Schauspieler, Politiker, Rennfahrer, Schriftsteller, Moderatoren, Köche und all die anderen, denen sie auf ihre absurde Weise nacheifern, ohne dabei zu merken, wie mundtot sie von diesen Stars gemacht werden.

9
    Ich glaube, dass es eine Lüge ist. Nein, es ist keine Lüge. Es ist ein Irrtum, dem wir aufsitzen, weil sie uns nicht bloß unterhalten. Sie sind es, oder es sind die Bilder, die wir uns von ihnen machen, die wir auf uns projizieren und mit Hilfe derer wir uns davon überzeugen, dass wir Schmiede unserer Schicksale sind. Jeder kann ganz oben ankommen. Sagen wir uns. Aber das stimmt nicht. Und es versteht sich ja von selbst, dass dieser Gedanke, nein, es ist unsere absurde Hoffnung, die unerfüllt bleiben muss.
    Es liegt auf der Hand. Nur wir verstehen das Offensichtliche nicht. Betrügen uns über alle Tatsachen hinweg. Mit unserer absurden Idee vom persönlichen Fortschritt nach oben. Mit der kollektiven Illusion, dass wir über uns hinauswachsen könnten, dass auch wir bedeutsamer sein könnten, dass wir größer werden könnten als wir sind.
    Und jedes Mal, wenn wir sie sehen, wenn wir diese überlebensgroßen Bilder sehen, muss uns das zwangsläufig daran erinnern, wie wenig wir bedeuten, wie wenig wir zu sagen haben, und es muss uns im gleichen Moment ins Auge fallen, dass wir selbst es waren, die es nicht geschafft haben. Dass wir kein Gewicht haben, und dass dieser Mangel an uns selbst liegt, an uns liegen muss, weil wir es sind, die es nicht geschafft haben. Und weil wir es nicht fertiggebracht haben, dass aus uns jemand geworden ist, haben wir auch das Recht verwirkt, tatsächlich Einfluss zu nehmen. Denn mit unserer eigenen Bedeutungslosigkeit geht auch die Bedeutungslosigkeit unserer Meinung einher.
    Wir kämpfen mit ihnen. Im Grunde kämpfen wir mehr mit diesen Vorbildern als dass wir ihnen nacheifern. Wenn sie in Hauswandgröße auf uns herabstürzen, wenn wir ihnen ständig ausgesetzt werden und uns ihnen ständig selbst aussetzen. Unsere Hoffnung klammert sich auf absurde Weise an diese Bilder. Und in demselben Moment, in dem wir unsere Hoffnung auf sie setzen, machen wir unsere Hoffnung zunichte. Es ist diese ständige Erniedrigung, an die wir uns schon so gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr wissen, dass sie überhaupt existiert.
    Sie sind keine Vorbilder. Sie sind unsere Erniedrigung, die wir nur deshalb kaum bemerken, weil ihre Leben uns auf die eine oder andere Weise emotional berühren.
    Und selbst wenn wir nicht mehr wissen, wenn wir vergessen oder verdrängt haben, dass wir dazu erzogen wurden oder dass wir uns selbst dazu erzogen haben, ihnen nachzueifern, dass auch wir groß werden wollten. Auch wenn wir nicht wahrhaben wollen, dass wir das immer noch tun, dass wir ihnen immer noch auf die eine oder andere Art nacheifern. Weil wir nicht verstehen, wie gut diese Bilder zu jeder Zeit funktionieren. Wenn wir an den Schicksalen der Stars nur mehr wie an einer Nebensache teilzuhaben glauben. Auch wenn sie uns bloß noch zu unterhalten scheinen, sind und bleiben sie unser negativer Spiegel. Macht uns dieser Spiegel hässlich und klein. Wie ein negativer Bildfilter führt er uns unsere eigene Bedeutungslosigkeit jeden Tag aufs Neue vor Augen, treibt er uns an und hält uns gleichzeitig vollkommen im Zaum.
    Ich frage mich, ob das immer schon so war. Ob es zu jeder Zeit solche Figuren gegeben hat. Ob es heute viel mehr von ihnen gibt als je zuvor. Weil wir, egal wohin wir uns wenden, auf eines oder mehrere dieser Vorbilder stoßen.
    Sie versperren uns den Weg, denke ich. Oder wenn sie ihn schon nicht versperren, dann machen sie es uns wenigstens schwer, die einfachen Bahnen unserer Leben zu verlassen. Uns vor diese Bilder hinzustellen und zu sagen:
Ja, ich bin einer, der den Unterschied macht. Meine Meinung zählt. Und wenn sie nichts zählt, dann werde ich ihr Gehör verschaffen
.
    Wie die Fischverkäuferinnen in Paris, denke ich, die irgendwann damit aufgehört haben, ihre Stimme nur am Markt und in Wirtshäusern zu erheben. Die nicht mehr nur in den eigenen vier Wänden gesprochen haben, in denen man schon immer beinahe alles sagen darf, was man will, in denen man die Illusion von der eigenen Bedeutung ein ganzes banales Leben lang aufrechterhalten kann.
    Ich weiß, dass niemand dafür die Verantwortung trägt. Dass kaum jemand etwas dafür kann, dass er oder sie berühmt

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