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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mandler
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meine Spuren vollkommen zu verwischen.
    Es tut mir leid. Ein wenig, nein, mehr nur als ein wenig tut es mir weh, dass ich mich um diesen jungen Mann habe kümmern müssen. Gestern Abend, er hatte gerade den Laden hinter sich geschlossen und sich auf den Weg nach Hause gemacht, als ich ihm plötzlich und für ihn vollkommen unerwartet sein Erinnerungsvermögen, das mir vielleicht hätte gefährlich werden können, genommen habe. Und die zehn Euro, die ich ihm zugesteckt hatte. Er hatte sein Auto in einer Seitenstraße geparkt. Keine fünf Minuten von dem kleinen Laden entfernt, in dem er gearbeitet hat. Der vielleicht sogar sein Laden war. Ich weiß es nicht. Und es spielt auch keine Rolle mehr. Weil er keine Ahnung hatte, als er die Tür seines geparkten Wagens aufgeschlossen hatte, ohne den geringsten Verdacht. Er hat einfach nur dagestanden. Und nicht einmal darauf gewartet. Der Schuss, mit dem ich ihn aus meinem Auto heraus niedergestreckt habe, hat ihn vollkommen unvorbereitet getroffen. Und ich war zu weit weg, um genau zu sehen, ob er überrascht war oder schockiert. Ob er überhaupt begriffen hat, was passiert war. Oder ob er sich, bevor er sich nichts mehr fragen konnte, noch gefragt hat, woher diese unbändige Kraft kam, die ihn zu Boden geworfen hat.
    Es ist mehr ein Ploppen gewesen als ein Knallen. Und genau wie der junge Mann hatte es eine zufällig in der Nähe stehende Frau, die vielleicht fünfzig Meter von uns beiden entfernt versucht hat, ihr Fahrradschloss aufzuschließen, entweder gar nicht gehört oder es nicht richtig ernst genommen. Genau wie er hatte sie es nicht zuordnen können. Dieses beinahe lautlose Fuppen, das meine schallgedämpfte P12 von sich gibt, weil ihre Projektile gar nicht erst die Überschallgeschwindigkeit erreichen. Aus diesem Grund ist die P12 so leicht zu dämpfen und so beliebt bei Schützen, die keinen Wert darauf legen, Lärm zu machen oder ihre Position durch das Mündungsfeuer zu verraten. Spezialeinheiten auf der ganzen Welt schwören auf die P12 in Kombination mit der .45 ACP. Denn es sind nicht nur die Waffe und der Dämpfer, es ist auch die Munition, die es möglich macht, sie mit diesem leisen Ploppen abzuschießen. Und es ist dieses Fupp, das man kaum wahrnimmt. Das Samy nicht wahrgenommen hat, als ich ihn erschossen habe, und das auch der junge Mann gestern nicht wahrgenommen hat.
    Auch wenn man es kaum hört, vergisst man dieses Geräusch nie wieder, wenn man es nur einmal gehört hat. Und ich weiß nicht, ob der Frau dieses leise Geräusch wirklich nicht aufgefallen ist. Vielleicht wird sie erst im Nachhinein merken, dass sie den Schuss doch gehört hat. Vielleicht wird sie fabulieren und sich an etwas ganz anderes erinnern. An einen lauten Schuss, den es in Wirklichkeit gar nicht gegeben hat, den es in ihrer Erinnerungskonstruktion aber gegeben haben muss, weil sie das Ploppen meiner P12 nicht für einen Schuss, sondern für ein harmloses und nebensächliches Geräusch gehalten hat.
    Egal wie, denke ich. Auf irgendeine Weise wird diese Frau versuchen, nein. Nicht sie wird es versuchen. Ihre Psyche wird dafür sorgen, dass sie im Nachhinein doch noch etwas verstehen wird, das sie gestern in dieser halbverlassenen Seitenstraße in Koblenz noch nicht verstanden hatte. Und dass sie es nicht verstanden hatte, weiß ich sicher. Denn während ich langsam und mit allen Sinnen auf ihre mögliche Reaktion konzentriert, mit entsicherter Waffe in der Rechten und mit heruntergelassener Seitenscheibe gestern Abend an ihr vorbeifuhr, nahm sie nicht im Geringsten Notiz von mir. Ich wollte einfach sichergehen. Wollte sehen, ob sie sich auffällig verhielt. Aber sie versuchte einfach weiter, das klemmende Schloss mit ruckartigen Bewegungen aufzuschließen. Und ich fuhr mit meinem schweren Wagen weiter. Beinahe lautlos bewegte ich die Limousine vom Tatort weg. Fuhr von Koblenz aus an die Mosel. Parkte mein Auto an einem beliebigen Parkplatz. Es war niemand da. Kaum Autos unterwegs. Beinahe ausgestorben lag die Landschaft vor mir. Man konnte den idyllischen Ort, durch den ich gerade gefahren war, nicht mehr sehen. Und auch der nächste, der unweigerlich in ein oder zwei, vielleicht in fünf Kilometern kommen musste, war noch nicht in Sichtweite.
    Ich stieg aus. Mit einem leisen Geräusch lies ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Ich dachte daran, wie mir dieses Geräusch gefällt, wie es mir immer schon gefallen hat. Dieses Blup, mit dem man die Türen teurer Limousinen

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