Shooting Stars (German Edition)
gelernt habe. Aber von wem und wo ich es gelernt habe, werden sie nicht wissen. Weil sie nicht zwischen dem Schuss eines deutschen, eines amerikanischen oder russischen Scharfschützen unterscheiden können. Vermute ich. Weiß aber nicht, ob es nicht doch ein Muster geben könnte, das uns voneinander unterscheidet. Irgendetwas, das deutsche Scharfschützen anders machen als jugoslawische, chinesische oder japanische. Denn sie können ja auch, weiß ich, habe ich gelesen, sie können selbst Tippbewegungen auf einer Tastatur erkennen. Jeder Mensch hat nicht nur einen einzigartigen Fingerabdruck, einzigartige Gesichtszüge und unverwechselbare Augen, man hat sogar einen unverwechselbaren Tipprhythmus.
Dass sie von meiner Zastava, die ich mir unter den Mantel gesteckt habe, auf mich schließen werden, halte ich trotzdem für unwahrscheinlich. Sie wird sie in die richtige Richtung, aber auf eine falsche Fährte locken. Hoffe ich. Denn sie war nicht leicht zu besorgen, diese M91. Auch an die Munition kommt man kaum heran. Nicht hier. Nicht wenn man nicht die richtigen Leute kennt. Und genau das ist der Punkt. Weil man es jemandem wie mir gar nicht zutraut, solche Dinge wie die Zastava und die Munition für dieses Gewehr besorgen zu können, führe ich sie heute einen Schritt näher an mich heran, werde ich sie wissen lassen, dass ich ein Scharfschütze bin und werden sie doch nicht in meine, sondern in irgendeine abstruse östliche Richtung ermitteln.
Trotzdem liegt ein Gefahrenpotenzial in der Wahl meiner Waffe. Sie ist groß und unhandlich. Ich kann sie nur schwer unter einem Mantel oder etwas anderem verstecken. Und es hat mich wirklich Mühe gekostet, sie zu besorgen. Denn ich kenne nicht die Leute, die man dafür kennen muss. Die man nicht kennen muss, wie ich herausgefunden habe. Diese richtigen Leute, von denen alle immer wieder wie von Gespenstern sprechen, als ob es nicht auch hier genügend richtige Leute gäbe, die sich mit Waffen so gut auskennen, dass man ihre Arbeit sehr erfolgreich in alle Welt exportiert.
Ich hoffe, dass niemand kommt. Kein Spaziergänger, kein zufälliger Passant, der mich sieht, mich und die M91 in meiner Hand. Aber selbst wenn, werde ich es nicht ändern können. Heute muss ich dieses Risiko eingehen, das im Grunde gar keines ist, weil es hauptsächlich darin besteht, im Zweifelsfall jemanden töten zu müssen, der nichts mit der Sache zu tun hat. Das Risiko, die Sache, wenn dieser Passant oder Spaziergänger geschickt genug weglaufen sollte, einfach wieder abzublasen. Ich habe solche ungebetenen Gäste auf meiner Rechnung, weiß, dass ich einfach schießen und dann wieder fahren müsste, ohne das getan zu haben, wofür ich eigentlich gekommen bin.
Ich erkenne nicht, wer sie sind, die drei anderen, die mit Sonnenbrillen im Gesicht mit Stefan am Tisch sitzen und sich mit ihm unterhalten. Ich frage mich, ob es etwas Geschäftliches ist, das sie besprechen. Ob nur sie da sind oder ob sich auch Stefans Frau, seine Kinder oder irgendwelche Bediensteten im Haus befinden. Ob sie herauslaufen werden, wenn ich geschossen haben werde, ob sie mich weggehen sehen werden und ob ich auf sie warten soll, bevor ich aufstehen und wieder fahren werde.
5
Es war keiner mehr im Haus. Und wenn doch, war er oder sie vernünftig genug, sich nicht im Garten oder an den Fenstern der Villa zu zeigen. Aber dass seine Angehörigen das fertiggebracht haben, glaube ich nicht. Denn in solchen Situationen kann sich die Vernunft nicht durchsetzen. Greifen die Instinkte um sich und reißen alle Handlungsvollmacht an sich. Genau wie sie das auch bei den anderen drei getan haben. Bei der Blondine, die aufrecht und so schnell sie konnte wegzulaufen versuchte. Aber sie kam nicht weit. Sie lief nur ein paar Schritte, bevor ich ihrem Fluchtversuch ein Ende machte. Bevor ich ihr in den Rücken schoss und sie beinahe regungslos liegen blieb.
Der brünette schlanke Mann, der sich geduckt in Sicherheit bringen wollte, war ein paar Schritte weiter gekommen. Er hätte es bis zur Terrassentüre schaffen können. Aber bevor er hineinlief, drehte er sich aus irgendeinem Grund noch einmal um. Vielleicht um zu sehen, was mit den anderen war. Vielleicht auch um zu begreifen, woher die Schüsse kamen. Woher der Schuss kam, der seinen Oberkörper traf. Ein perfektes, praktisch unbewegliches Ziel, das man aus dieser Distanz gar nicht verfehlen kann.
Der dritte verhielt sich anders. Till. Es könnte Till gewesen sein, der sich robbend
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