Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mandler
Vom Netzwerk:
er zwar ein beachtlicher Fluss, doch wirklich breit wird er erst später. Wird er nie, wenn man andere, wirklich große Flüsse als Maßstab nimmt.
    Das Wetter ist schön. Die Sonne scheint und bloß ein paar weiße Wolken hängen im Blau fest, es scheint, als ob sie sich gar nicht bewegen würden. Sogar dort oben, denke ich, ist es heute still. Und einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, dass das alles gar nicht passiert. Dass ich bloß mit meinem Auto durch Europa fahre und dass vor mir, dass da draußen tatsächlich eine vollkommen friedliche Landschaft an mir vorbeizieht. Aber sie ist nicht friedlich, diese Landschaft. Dieses Land ist nicht friedlich, denke ich. Auch wenn es alles daran setzt, diesen Eindruck zu erwecken, war dieses Land noch nie ein friedliches Land.
    Dieser heitere, beinahe höhnische Bilderbuchhimmel, der alles andere überdeckt und der vorgibt, dass nichts geschehen ist. Die Sonne scheint geduldig und friedlich. Und all das, was ich geschehen gemacht habe, könnte nicht wahr sein.
    Die Autobahn ist praktisch leer, und während ich Marian und den Kindern immer näher komme, mich Kilometer für Kilometer an sie heranschleiche, flüsterleise in diesem Fahrzeug, das mich immer noch begeistert, höre ich zum zweiten Mal die gleiche, durch kein Wort veränderte Meldung wie vor einer halben Stunde. Und ich weiß jetzt, auch wenn sie nichts Genaues über Stefan berichten, haben sie doch bekanntgegeben, wer die anderen drei waren. Weiß ich, dass ich Anke, Till und Ralf erschossen habe.
    Vielleicht ist das sogar besser so. Weil ich zwar diese drei, aber Stefan selbst nicht erwischt habe, erziele ich vermutlich eine noch größere Wirkung. Weil es nicht nur ein Star war, den ich gestern erschossen habe. Sondern gleich zwei. Und einen ihrer Manager. Aber vor allem, denke ich, könnte sich die Wirkung vergrößern, weil einer von ihnen, weil der vielleicht wichtigste der vier noch lebt. Die Öffentlichkeit wartet gebannt darauf, ob er weiterleben wird. Nein. Er wird weiterleben. Sie warten darauf, was er zu sagen hat.

2
    Sie sind zu Hause. Im Wohnzimmer brennt Licht. Marian oder Lukas, vielleicht auch Elfi, einer von ihnen hat im Wohnzimmer das kleine Licht angemacht, die Messingstehlampe, die Marian und ich an einem Frühlingstag vor ein paar Jahren gemeinsam auf einem Flohmarkt gekauft haben und die ich, wie so viele andere Dinge auch, wie vielleicht alle. Nein. Ich habe bloß die meisten Dinge hier zurückgelassen, denke ich. Und setze mich auf einen Baumstumpf, der am Straßenrand zwischen den Parkplätzen dasteht wie eine Erinnerung an
unsere Allee
. Sie haben alle, jeden einzelnen Baum, jede Linde, die in unserer Straße die Plätze zwischen den Parkbuchten markiert hatten, haben sie gefällt. Vor Jahren schon. Und obwohl wir, nicht nur Marian und ich, auch andere Nachbarn haben versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Wir mochten unsere Linden in unserer Straße. Aber irgendein Beamter oder anderswie Verantwortlicher hatte es sich in den Kopf gesetzt, diese Bäume aus dem Weg zu räumen. Und so sehr lagen sie uns dann doch nicht am Herzen, dass wir uns an sie hätten anketten wollen. Dass wir uns vor diese Linden gestellt hätten, um ihre Existenz zu sichern.
    Die Küche ist hell erleuchtet. Ich sehe Marian, die an der Kochinsel steht und mit einem Messer hantiert. Sie schneidet etwas, denke ich. Bestimmt Gemüse. Es sind bestimmt die paar Bissen Gemüse, die bei keinem Marian-Essen fehlen dürfen. Die fein in lange Streifen geschnittene Paprika. Die Gurkenscheiben. Oder die gestifteten Möhren, die sie praktisch immer in einer kleinen Schüssel, als Fingerfood, auf den Tisch stellt. Oder die sie den Kindern im Wohnzimmer, die sie ihnen beim Spielen oder Fernsehen in die Hand drückt, die sie auch mir so oft in die Hand gedrückt hat, bevor das richtige Essen auf den Tisch gekommen ist. Und auch wenn ich gekocht hatte. Ich weiß nicht, wie das passiert. Aber wenn man so nah an jemandem dranlebt, wie ich an Marian drangelebt habe, nimmt man manche Gewohnheiten dieses Menschen einfach in sich auf. Hatte auch ich mir angewöhnt, frisches Gemüse oder Obst in kleine Stücke zu schneiden, um es den Kindern appetitlicher zu machen.
    Ein bläuliches Flackern im Wohnzimmer verrät mir, dass der Fernseher läuft. Immer um diese Zeit, denke ich. Marian hat den Tagesablauf der Kinder fest geplant. Es gibt eine festgelegte Stunde, in der für die Schule gelernt wird. In der sie die Kinder in den Garten

Weitere Kostenlose Bücher