Shooting Stars (German Edition)
in Sicherheit bringen wollte, ein möglichst kleines Ziel abgeben und sich in Deckung schleichen. Vielleicht, denke ich, hatte er das bei der Bundeswehr gelernt. Oder bei irgendeinem Schauspielertraining. Ich weiß es nicht und es ist am Ende auch nicht wichtig, weil er es auf seine Weise auch nicht weiter schaffte als die anderen. Im Gegenteil. Wäre er einfach nur weggelaufen, hätte er eine echte Chance gehabt. Hätte er sich verstecken oder hinter das Haus verkriechen können, während ich mit den beiden anderen beschäftigt war.
Aber so lagen sie da, lagen nun alle drei da. Durch mein Zielfernrohr versuchte ich zu sehen, ob sie sich noch bewegten. Bei der Blonden war ich mir nicht ganz sicher. Ich wusste nicht, wie ich sie im Lauf getroffen hatte, sie, die als Erste instinktiv und als einzige wirklich richtig entschieden hatte, die mit der größten Geschwindigkeit im Zickzack geflüchtet war und die deshalb das am schwierigsten zu treffende Ziel abgegeben hatte.
Aber sie lag da. Still und ohne sich zu rühren.
Genau wie Till, ich nenne ihn jetzt einfach Till. Und wie der brünette, vielleicht fünfzigjährige Mann, den mein Schuss nach hinten geworfen hatte, dessen Oberkörper vor der Tür der Terrasse über seine Beine geknickt dalag und dessen Gesicht ich erkennen konnte, ohne aber ihn zu erkennen, ohne die geringste Ahnung zu haben, wer er sein könnte.
Trotzdem entschloss ich mich sicherzugehen und ich setzte auf jedes der drei Ziele noch einen Schuss. Sah, wie die Wucht der Geschosse die Körper der drei, jeden einzelnen unterschiedlich weit, nach hinten warf. Je nachdem, wie man einen am Boden liegenden Körper trifft, bleibt er nach einem Treffer einfach liegen oder es wirft ihn ein wenig nach hinten. Manchmal rollt es ihn auch nur zur Seite, vom Rücken auf den Bauch oder umgekehrt. Das Projektil, das ich in den vor der Terrassentüre liegenden Körper schoss, durchschlug danach noch ein Fenster, war durch den Oberkörper des Mannes gedrungen und ins Wohnzimmer geflogen, steckte jetzt wahrscheinlich in irgendeiner Wand, einer Holzvertäfelung oder es war einfach als Querschläger vom Boden abgeprallt und lag irgendwo in einem an das Wohnzimmer angrenzenden Raum herum wie ein aus dem Kontext gerissener Teil einer anderen Welt. Ich wandte mich wieder Stefan zu. Ich hatte erwartet, seinen Körper halb hinter oder neben den Gartenstühlen zu finden, auf denen die vier noch vor zwei Minuten gesessen hatten. Aber da war er nicht. Obwohl er der Erste gewesen war, auf den ich geschossen hatte, obwohl ich mir sicher war, dass ich ihn getroffen hatte, weil ich gesehen hatte, wie es ihn samt seines Gartenstuhles überschlagen hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich ihn auch richtig getroffen hatte. Ob mein Schuss Stefan getötet hatte.
Drei Schuss. In meinem Magazin steckten noch drei Schuss von zehn. Und ich hatte noch eine Minute, vielleicht zwei, bevor ich hier wegmusste. Wegen der Nachbarn, die zwar nicht in unmittelbarer Nähe wohnten, die meine Schüsse aber gehört haben mussten und bestimmt schon dabei waren, die Polizei zu rufen.
Ich entschloss mich, auf die Gartenstühle zu schießen. Er konnte sich eigentlich nur hinter einem der hochlehnigen, massiven Stühle oder hinter dem von der Blonden bei ihrer Flucht umgekippten Tisch verkrochen haben, dachte ich. Andere Bewegungen hätte ich registriert. Wenn er noch in der Lage gewesen wäre zu laufen oder sich wegzuschleppen, hätte ich das gesehen. Dann wäre auch er nicht weit genug gekommen, um vor mir in Sicherheit zu sein.
Vier Stühle, ein Tisch und drei Schuss. Ich wusste es nicht und ich weiß auch jetzt noch nicht, ob Stefan wirklich tot ist. Jetzt, da ich bedächtig und genau in der vorgeschriebenen Geschwindigkeit aus der Stadt fahre. In Richtung Autobahn, von der ich ein paar Kilometer später wieder abfahren werde. Ich werde in die Eifel fahren. Zu dieser Talsperre am Fuß der Burg Vogelsang. Ich werde in den Wald fahren und dort werde ich die M91 von meinem Rücksitz nehmen, auf den ich sie geworfen habe, auf dem sie im Moment durch nichts kaschiert ist als durch eine dünne graue Tagesdecke.
Ich werde die Zastava in der Urfttalsperre entsorgen. Ich werde sie in ihre Einzelteile zerlegen, auch wenn das bei dieser Waffe nicht viele sind. Nicht viele, die man problemlos abnehmen kann wie bei einem Sturmgewehr. Ich werde sie mit einem weichen Tuch abwischen. Und ich werde die einzelnen Teile so weit wie möglich in verschiedene Richtungen
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