Shooting Stars (German Edition)
ich, kann ein Mensch nicht haben. Es ist nicht unmöglich. Aber in etwa so wahrscheinlich, wie auf offener Straße von einem Satellitenteil erschlagen zu werden.
Ich könnte den Motor eines Fahrzeugs mit dieser Munition kaputtschießen. Ich könnte durch eine Wand schießen. Mit der MK 211, Steves Lieblingsmunition, von der er mir mit leuchtenden Augen erzählt hat, seiner
Raufoss delayed
, wie er sie beinahe liebevoll genannt hat.
Du schießt mit diesem Ding durch eine Ziegelwand, die Munition explodiert in und hinter der Wand und sie trifft deinen Gegner in seiner Deckung mit hunderten kleinen Schrapnellen. Das wirkt wie eine Schrotflinte aus der Nähe
, hat Steve gelacht. Wie ein kleiner Junge gelacht, und ich hatte das Gefühl, bei Steve hatte ich den Eindruck, dass ihn die Distanz, aus der er schoss, tatsächlich zu so etwas wie einem kleinen, spielenden Jungen gemacht hat. Genau wie dieser Junge konnte oder wollte er sich nicht klar machen, was er da eigentlich redete. Was er da tat. Aus der Distanz musste er sich die Sauerei nicht genau ansehen. Und das werde auch ich nicht müssen. Mit dieser Waffe muss ich mir nichts aus der Nähe ansehen, denke ich, und plötzlich glaube ich, dass ich diesen Kampf tatsächlich gewinnen kann. Weil die .50 eine
one shot solution
ist. Weil man sich, wenn man mit ihr getroffen hat, keine Gedanken mehr darüber machen muss, wie und wo man getroffen hat.
Sicher. Es kann sein, dass ich nicht an sie herankommen werde. Weil die Sicherheitsleute und die verstärkte Außenhaut der gepanzerten Limousine die beiden gut genug schützen werden. Aber einen Versuch ist es wert. Und ich bin der Überzeugung, dass ich ohnehin werde flüchten können. Ein oder zwei schöne Treffer würden mir reichen. Zumindest einen von ihnen werde ich erwischen. Vielleicht nicht beide. Denn es ist nie klar, wie eine Sache ausgeht. Denke ich. Und denke an den steinalten, gebrechlichen Major Steigmüller. Den
Kriegsmüller
, wie wir ihn nannten. Wie ihn schon viele vor uns genannt hatten. Und wenn man ihn sieht, nein, wenn man ihn gesehen hat, denke ich. Weil ich mir nicht sicher bin, ob er noch lebt. Die Chancen dafür stehen nicht gut, denke ich. Aber seine Chancen standen schon oft nicht gut. Und trotzdem stand er da. Stand er vor uns. Lächelte halb verträumt in die Runde und meinte immer wieder:
Ich kann Ihnen nichts beibringen. Ich kann Sie bloß in die Lage versetzen, richtig zu reagieren. Handeln müssen Sie selbst. Aber eines lassen Sie sich gesagt sein. Vergessen Sie nie, dass Sie niemals wissen, wie sich eine Sache entwickelt. Sie wissen nie, wie tief sie schon in der Scheiße sitzen, bevor die Scheiße mit voller Wucht über Sie hereinbricht
.
3
Le Monde, Morgenpost, Spiegel, FAZ, NZZ, der Corriere und viele andere, man sagt, dass die meisten Tages- und Wochenzeitungen in Europa heute mit einem schwarzen Trauerflor auf dem Cover erscheinen. Überall zeigt man Anteilnahme.
Der Krieg gegen die Gesellschaft
, titelt der Spiegel.
Wir werden nicht aufgeben!
das Svenska Dagbladet. Ich weiß, dass das stimmt. Dass sie Recht haben. Und dennoch bin ich mir sicher, dass es nicht stimmt. Sie werden nichts dagegen unternehmen können. Wenn es richtig beginnt, werden sie nichts mehr ausrichten können. Wenn die Menschen ihrem Zorn freien Lauf lassen, werden sie keine Chance mehr haben uns aufzuhalten. Sie werden nie wissen können, wer als nächstes aus welcher Richtung angreift. Und aus diesem Grund werden sie nichts gegen uns in der Hand haben.
Aber noch, denke ich. Noch ist es nicht so weit. Auch wenn es auf Großbritannien übergegriffen hat. Auch wenn sie Katie in London erstochen haben. Auf offener Straße wurde sie niedergestochen und man hat ihr mit einem sauberen Schnitt die Kehle durchgeschnitten. Als die Rettung und der Notarztwagen da waren, konnte der Notarzt nichts anderes mehr tun, als ihren Tod festzustellen.
Da war nichts mehr zu machen
, sagte er in dem Interview, das ein blitzschneller Journalist aus ihm herausgeholt hatte. Es waren vielleicht fünf Minuten, zehn, denke ich. Man hat diesen vielleicht vierzigjährigen Notarzt mit seinem schütteren Haar und der leisen Stimme bloß für kurze Zeit aus den Augen gelassen. Aber diese paar Minuten haben dem Journalisten dafür gereicht, sich den Arzt zu schnappen und ihn zum Reden zu bringen. Für eine Minute oder zwei hat er mit leiser Stimme gesprochen. Dann erst sind sie gekommen, haben sich fünf oder sechs Polizisten ins Bild gedrängt
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