Shooting Stars (German Edition)
erwischt haben. Und es hat zum ersten Mal einen Beigeschmack. Ich glaube, nein, ich bin mir eigentlich sicher, dass die Täter in Italien Mario nur deshalb als Ziel ausgewählt haben, weil er schwarz war und ein Emporkömmling, der sich nicht richtig zu benehmen wusste.
Ich erinnere mich an eine Anekdote, die man sich über ihn erzählt. Er soll von der Polizei angehalten worden sein. In seinem Aston Martin oder Lamborghini oder einem anderen dieser sogenannten Supersportwagen. Und sie haben in seinem Kofferraum Geld gefunden. Viel Geld. Zu viel, um es einfach im Kofferraum eines Autos zu bunkern. Aber er, erinnere ich mich, hat auf ihre Frage danach, warum er so viel Geld in seinem Kofferraum mit sich führe, nur geantwortet:
Weil ich reich bin
. Und schon allein das, diese freche Art, die Polizisten vor den Kopf zu stoßen, hat ihn mir sympathisch gemacht. Mario. Der keinen Polizisten der Welt mehr vor den Kopf stoßen wird. Und im Grunde, auch wenn es mir nicht gefällt, dass sie gerade ihn ausgesucht haben, auch wenn ich glaube, dass ihre Ziele vollkommen andere sind als meine, ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass meine Idee Fahrt aufnimmt. Es spielt keine Rolle, wen sie sich aussuchen, warum und wer genau dahintersteckt.
Eine heimliche Freude steigt in mir hoch. Ich gestehe sie mir nicht zu, weil sie mich an Afghanistan erinnert. An unsere Gesichter vor dem 15. August und vor dem 3. September. Ich spüre wieder meine Angst vor diesen beiden Einsätzen und erinnere mich an das Gefühl nach ihnen. An die Sorge, die mich begleitete, weil ich mich davor fürchtete, dass sie mich anstecken könnte. Dass mich diese Söldnervorfreude vollends in Beschlag nehmen würde. Dass auch in mir in den Nächten vor solchen Einsätzen diese ekelhafte Begeisterung Fuß fassen könnte. Die gleiche Erregung, die die anderen aufputschte, weil sie wussten, was am nächsten Tag bevorstand. Weil wir wussten, dass wir am nächsten Tag hemmungslos würden handeln dürfen, ohne uns dafür rechtfertigen zu müssen und ohne dass irgendjemand genau hinsehen würde. Zumindest niemand, der die Macht hatte, etwas dagegen zu unternehmen.
Es ist nicht dieselbe Freude, denkt es in mir.
Oder vielleicht doch. Vielleicht gibt es keinen Unterschied zu damals, als ich mit zehn, fünfzehn anderen diese beiden Dörfer überfallen. Nein, wir haben sie nicht überfallen. Oder doch. Die anderen, die in das Dorf gestürmt sind, haben die Menschen in dem Dorf überfallen. Und ich habe ihnen geholfen. Sie gedeckt. Diese Bauern erschossen. Ich erinnere mich an einen alten Mann, der mit seinem alten Gewehr aus einem baufälligen Haus gelaufen kam. Um seine Familie zu schützen. Oder um seinen in unseren Augen vollkommen wertlosen Besitz zu verteidigen. Und es war ich, der ihn daran gehindert hat. Es bin ich, immer noch bin ich es, der ihn erschossen hat.
Die Bilder kommen zurück.
Die Erinnerungen an diese zwei zufällig ausgewählten Dörfer. Ich sehe die Häuserhaufen im Staub vor mir. In der Sonne. Spüre den Wind, der Sand aufwirbelt. Ein wenig bloß. Genug, um ihn als störend zu empfinden. Zu wenig, um uns wirklich von der Arbeit abzuhalten.
Arbeit. Ich erschrecke darüber, dass ich es Arbeit nenne. Aber es war Arbeit. Sie haben mich dafür bezahlt. Ich habe ihre Aufträge erfüllt. In einem sehr grundlegenden Sinn war es nichts anderes als eine Arbeit, die ich erledigt habe und für die sie mich finanziell entschädigt haben.
Vielleicht hatte sie jemand ganz bewusst gewählt. Ich frage mich das heute genauso, wie ich mich damals gefragt habe. Angesichts dieser Häuserhaufen aus Lehm und Stein. Und genau wie damals weiß ich auch heute noch keine Antwort darauf, warum es gerade diese paar Häuser waren. Warum wir gerade diese Bauern erschossen. Warum ihre halbkaputten Karabiner und heruntergekommenen Kalaschnikows, ihre Stöcke, Mistgabeln und Messer eine Gefahr darstellen sollten. Oder was es sonst war, das sie zu einem Ziel gemacht hatte. Warum es gerade diese Menschen sein mussten, auf die ich anvisierte und die ich erschoss, um den anderen die nötige Zeit und den Freiraum zu verschaffen. Die Bewegungsfreiheit, die sie brauchten, um die Menschen in diesen beiden Dörfern kurz und schmerzlos, effizient, wie wir es gelernt hatten. Ja. Das Wort bleibt, damals schon und auch heute bleibt es mir im Hals stecken. Weil ich die Verantwortung für das, was ich getan habe, auch heute noch nicht tragen möchte. Aber ich werde sie tragen müssen. Und
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