Shooting Stars (German Edition)
Wie ich dazu komme,
uns
zu denken. Obwohl es doch ihre und ihre und ihre und erst dann meine Sache ist. Es war meine Sache, zu Beginn. Aber jetzt ist sie größer geworden. Sind es verschiedene Sachen, die in eine gemeinsame Richtung wirken, die vielleicht in eine gemeinsame Richtung wirken.
Sie haben ein Video online gestellt. Unbekannte, wie man sagt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein Video online stellen und dabei unbekannt bleiben kann. Sie werden, nein, sie wissen bestimmt jetzt schon. Aber vielleicht, ich habe keine Ahnung, ob sich das umgehen lässt. Es kann sein, dass man so etwas erledigen kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Man wirft seinen Rechner einfach in einen Fluss oder ins Feuer. Man fährt mit dem Auto darüber wie über eine Leiche, die man unkenntlich machen möchte.
Die Festungen sind immateriell geworden, denke ich. In diesem Cyberkrieg, von dem alle immer sprechen. Für den die Amerikaner und die Chinesen, die Deutschen und vermutlich auch alle anderen aufrüsten. Die staatlich organisierten Spezialisten sitzen zwar in klimatisierten Räumen, die wie altmodische Festungen geschützt werden, die man vermutlich nicht einmal mit einer Langstreckenrakete so empfindlich treffen könnte, dass sie auf Dauer nicht mehr arbeiten könnten. Aber die Gegner dieser Krieger brauchen keine Festungen mehr. Alles, was sie tun müssen, ist die Rechner wegzuwerfen. Keiner wirft mehr die Flinte ins Korn. Keiner baut mehr mächtige Wälle und tiefe Gräben. Es reicht, sich virtuell abzuschirmen und schon ist man besser geschützt, als man es hinter zwanzig Metern Stahlbeton sein könnte.
Ich verstehe kaum etwas von diesem Krieg. Er ist mir fremd. Wie Hannibal in der Schlacht von Side, als er Schiffe statt Infanteristen befehligen musste und nicht einfach tausende Soldaten in einem Hinterhalt darauf warten lassen konnte, die Römer im richtigen Moment vernichtend zu schlagen, wie er es in Cannae geschafft hat.
Genau wie Hannibal vom Krieg auf See nichts verstanden hat, verstehe ich nichts von dieser neuen Art der Kriegsführung. Werde ich diesen Krieg, wenn ich mich auf ihn einlasse, nicht gewinnen können. Und ich frage mich, ob auch ich den Mut hätte. Wenn sie kommen, um mich zu holen, werde auch ich dann Gift in die Hand und ihnen damit den großen Triumph nehmen? Wenn es dann noch ein Triumph ist, denke ich. Und denke wieder an Frankreich. Wo sie dieses Video online gestellt haben, auf dem man sieht, wie eine Gruppe Vermummter auf einen am Boden liegenden Mann einprügelt und wie sie ihn treten.
54 Sekunden lang kann man sich das ansehen. Und obwohl es erst ein paar Stunden online ist, haben schon fast 500.000 Menschen gesehen, wie in der vergangenen Nacht jemand misshandelt und beinahe erschlagen wurde.
Dieser jemand, sagt man, war der kleine Fußballer. Ich weiß gar nicht, ob er immer noch spielt. Aber sie sagen, Franck sei gestern beinahe erschlagen worden. Er verdanke sein Leben nicht ihnen. Nicht ihrer Nachsicht, sondern den hervorragenden Ärzten, die sich dazu durchgerungen haben, vorsichtig Anlass zur Hoffnung zu geben.
Gleichzeitig mit den Meldungen über diese neuen Vorfälle. Über Katie, die sie in London erstochen haben, und über Franck, über die Liste in Großbritannien und über Schweden. Sie berichten, dass hunderte von Konzerten abgesagt wurden. Ganze Tourneen haben sie abgebrochen oder storniert. Vermutlich finden auch viele kleine Auftritte nicht mehr statt. Premieren werden verschoben. Eröffnungsfeiern abgesagt.
Sie fürchten sich.
Die Angst greift um sich.
Das ist gut.
5
Sie haben wieder gehandelt. In Großbritannien. Dieses Mal war es Emma, die sie erschossen haben. Es soll ein Einzeltäter gewesen sein, den sie auch an Ort und Stelle gefasst haben. Sagen sie. Und ich weiß nicht, Emma fand ich immer. Aber egal. Es geht nicht darum, wen ich mag und wen nicht. Es gibt für jeden zumindest einen. Und sie alle haben diese Wut verdient. Die Konsequenzen, die ihr Handeln nun in eine Richtung hat, die sie nicht erwartet hätten. Emma nicht und Dieter nicht und nicht all die anderen haben je erwartet, dass sie sich, indem sie über sich selbst hinauswachsen, ihr eigenes Grab schaufeln.
Sie berichten nun auch von Zwischenfällen in den Niederlanden. Von einem Zwischenfall. Ich kenne den Mann nicht, den sie in den Grachten von Amsterdam gefunden haben. Ich weiß nichts über ihn. Er soll ein hervorragender Fußballer gewesen sein. Genau wie Mario, den sie in Rom
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