Shoppen und fischen
ich versuchen wollte, mir hier in London ein Leben aufzubauen. Ich erzählte, dass ich mich um Arbeit bemühte und dass sich sicher bald etwas ergeben würde. Ich erzählte ihr von unseren Plänen für ein Kinderzimmer in Ethans Wohnung und lächelte ihn dankbar an. Ich erzählte ihr, wie gut es mir in London gefiel, trotz Regen und allem. Dann wünschte ich ihr frohe Weihnachten und sagte, dass ich sie liebte. Sie solle meinem Dad und Jeremy – und von mir aus auch Lauren – sagen, dass ich sie alle liebte und dass ich bald wieder anrufen würde. Sie sagte, sie liebe mich auch, aber sie sagte es knapp und ohne jede Wärme.
Als ich aufgelegt hatte, ließ ich den Kopf in die Hände sinken und weinte. Ethan streichelte mein Haar und sagteleise: «Du hast es gut gemacht, Darce. Es war richtig, dass du sie angerufen hast. Ich bin stolz auf dich.»
«Ich hätte nicht anrufen sollen. Sie war
abscheulich
!»
«Doch, es war richtig … Lass dich nicht von ihr unterkriegen. Du hast nur dein eigenes Verhalten in der Hand, nicht die Reaktion anderer Leute.»
Ich putzte mir die Nase. «Ich fühl mich trotzdem mies. Sie ist meine Mutter.»
«Eltern lassen ihre Kinder oft im Stich», sagte Ethan. «Du musst deinen Jungs einfach eine bessere Mutter sein. Ich weiß, dass du es kannst.»
«Woher weißt du das?»
«Weil du in letzter Zeit dein wahres Ich gezeigt hast, Darce.»
Ich putzte mir die Nase nochmal. «Was heißt das, ‹mein wahres Ich›?»
«Das heißt … du bist ein guter Mensch.» Ethan berührte sanft meinen Arm. «Ein starker Mensch. Und du wirst eine wundervolle Mutter sein.»
Im Laufe der Jahre hatte ich von unzähligen Männern unzählige Komplimente und Streicheleinheiten für mein Ego bekommen.
Du bist schön. Du bist sexy. Du bist unglaublich. Ich will dich. Heirate mich.
Aber Ethans Worte waren das Schönste, was ich jemals von einem Mann gehört hatte. Ich legte den Kopf an seine Schulter und wärmte mich daran.
«Ich werde es versuchen, Ethan. Ich werde es wirklich versuchen.»
Am nächsten Morgen wachten Ethan und ich auf und wünschten einander schlaftrunken frohe Weihnachten.
«Was machen wir heute?», fragte ich.
«Kochen», antwortete Ethan vergnügt.
Wir hatten zwei Tage vorher eingekauft, und sein kleiner englischer Kühlschrank war gerammelt voll mit Lebensmitteln.
«Und was sonst noch?»
«Wir werden fast den ganzen Tag für unser Weihnachtsdinner brauchen», sagte er.
Ich wollte wissen, ob er mit der Bescherung lieber noch gewartet hätte. Ich wusste, dass die Geschenke nicht das Wichtigste an Weihnachten waren, aber es ist doch immer ein bisschen ernüchternd, wenn dieser Teil des Fests vorbei ist. Auch wenn mir das Geben in diesem Fall ausnahmsweise besser gefallen hatte als das Nehmen.
Ethan sagte, er packe seine Geschenke lieber am Heiligen Abend aus. «Aber ich könnte dir noch etwas schenken …»
Ich sah ihn an, und ich glaube, meine Überraschung war nicht zu übersehen. Bildete ich es mir ein, oder war da ein viel sagender Unterton? Wollte Ethan sich an mich heranmachen? Bevor ich antworten konnte, fuhr er unschuldsvoll fort: «Wie wär’s mit einem Gedicht?»
«Oh. Ja. Klar.» Ich war erleichtert, dass ich nicht unpassend reagiert und mich damit in eine peinliche Situation gebracht hatte. «Wie heißt das Gedicht?»
Er überlegte kurz. «‹Hot Mama›.»
Ich lachte und sagte, nur zu, und dachte dabei an seine lustigen Stegreifverse auf der High School. Er räusperte sich und fing an, mit dem Kopf zu nicken und zu rappen, mit kleinen rhythmischen Prustern und Schnalzern dazwischen:
Hot Mama
Du bist ’ne heiße Mama im sexy Kleid,
Und süßer ist kein Babybauch weit und breit.
Du warst schon drauf und dran und wolltest Mädchensachen kaufen,
Doch jetzt hast du demnächst zwei kleine Baby-Jungs rumlaufen.
Das hast du gleich verpackt, hast nicht geheult und nicht geschwallt,
Denn was ’ne Mutter ausmacht, das hast du schon längst geschnallt.
’ne bessre Mama findet auf der Welt so schnell keiner,
Deine Jungs haben Glück, dein anderer und dein einer.
Wir lachten beide los. Dann schlang er einen Arm um mich und drückte mich an sich. Im selben Moment gab mir eins der Babys einen heftigen Tritt.
Ethans Miene hellte sich auf.
Ich lachte wieder. «Hast du das gespürt?»
«Ja. Wow!»
«Er hat dich erwischt.»
«Das kann man wohl sagen», murmelte Ethan. Er legte die Hand auf meinen Bauch und drückte sanft.
Ein Baby reagierte mit
Weitere Kostenlose Bücher