Shoppen und fischen
Hauptgang: ein gebratener Truthahn mit rosa Pfeffer, Salbei und Zitrone. Dazu gab es Röstkartoffeln, in der Pfanne gebratenen Rosenkohl mit Maronen, mit Orangensaft glasierte Möhren, Rotkohl mit Nelken, Lorbeer und Äpfeln und die mit Meersalz gewürzten Pastinaken. Das Dessert war ein köstliches Erdbeer-Makronen-Törtchen, das Ethan im Maison Blanc gekauft hatte, einer Bäckerei in der Kensington High Street.
Wir aßen und aßen, bis wir buchstäblich keinen Bissen mehr herunterbrachten, und spendeten uns immer wieder gegenseitig Beifall. Nach dem Essen rollten wir uns auf das Sofa, kuschelten uns wieder unter die Decke und sahen zu,wie die Kerzen bis auf die Stümpfe herunterbrannten. Wir waren fast eingenickt, als das Telefon schrillte und uns aufschrecken ließ. Im Stillen hoffte ich, dass es nicht Sondrine war – oder Geoffrey. Beide hatten schon im Laufe des Tages angerufen, und ich wusste nicht, wozu noch weitere Unterhaltungen nötig sein sollten.
«Willst du rangehen?», fragte ich Ethan.
«Eigentlich nicht», brummte er, aber dann nahm er trotzdem ab und sagte hallo.
Er warf mir einen verstohlenen Blick zu und sagte dann mit angespannter Miene: «Hi, Rachel.»
Wie betäubt saß ich neben ihm, während er ihr frohe Weihnachten wünschte. Er sah mich besorgt an. Ich lächelte, um zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Dann verzog ich mich in sein Schlafzimmer und rollte mich unter der Decke zusammen. Ich versuchte, Rachel aus meinen Gedanken zu verbannen, aber das ging einfach nicht. Rief sie aus Indiana an? Hatte Dex sie zu ihren Eltern begleitet? Wenig später erschien Ethan in der Tür. Sein Gesicht war ernst.
«Rachel?», fragte ich.
«Ja.»
«Seid ihr fertig?»
«Nein, noch nicht … Ich wollte nur nach dir sehen …»
«Mir geht’s gut.» Ich vergrub das Gesicht unter der Decke.
«Okay … Ich wollte dich außerdem fragen … darf ich ihr von deinen Zwillingen erzählen? Sie hat nach dir gefragt …»
«Das geht sie nichts an», fauchte ich. «Ich will nicht, dass sie irgendwas über mein neues Leben weiß.»
Ethan nickte. «Das respektiere ich. Dann werde ich ihr nichts erzählen.»
Ich überlegte eine Sekunde und spähte dann zu ihm hinauf. «Doch, das kannst du ruhig tun. Mir ist es egal.»
«Bist du sicher?»
«Mh-m. Von mir aus.»
Ethan nickte, schloss die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich fühlte plötzlich nur noch eine überwältigende Traurigkeit und kämpfte mit den Tränen. Warum war ich jetzt so fassungslos? Hatte ich Rachels Verrat nicht längst überwunden? Ich hatte eine neue Beziehung, neue Freundinnen, einen neuen besten Freund in Ethan, und ich erwartete zwei Babys. Und im neuen Jahr würde ich auch bestimmt einen Job finden. Es ging mir gut. Warum also war ich traurig? Ich überlegte eine Weile, ich grub sehr tief in meinem Innern und förderte eine Antwort zutage, die mir nicht gefiel. Ich wollte es nicht zugeben, aber es hatte etwas damit zu tun, dass ich Rachel vermisste.
Gegen alle Vernunft stand ich auf, öffnete die Tür und spitzte die Ohren, um zu hören, was Ethan sagte. Er sprach leise, aber ein paar Fetzen bekam ich mit. «Zwillinge … Jungen. Eineiige Zwillinge. Wahnsinn … Ob du’s glaubst oder nicht … Wirklich großartig … Sie hat sich wirklich verändert … ein ganz anderer Mensch … Ja. Ihr Arzt. [Er lachte] Ja, natürlich hat sie jetzt einen anderen Arzt … Ja, das tut ihr gut, weißt du … Und wie steht’s mit dir und Dex? … ja, klar. Das leuchtet ein …» Dann schwieg er lange. Und schließlich kam das Wort, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ:
Herzlichen Glückwunsch.
Ich konnte mir nur einen Grund vorstellen, weshalb er ihr gratulieren sollte.
Heilige Scheiße! Dex und Rachel haben sich verlobt!
Wie hatte das so schnell passieren können? Ich wollte nochmehr hören, aber ich zwang mich, die Tür zu schließen und mich wieder ins Bett zu verkriechen. Dann wiederholte ich in Gedanken:
Rachel und Dex sind mir egal. Ich bin längst darüber hinweg.
Als Ethan schließlich hereinkam, hatte ich mich damit schon halb selbst überzeugt, und wundersamerweise konnte ich es mir verkneifen, ihm irgendwelche Fragen über das Telefonat zu stellen. Ich sah Ethan an, dass er über meine Zurückhaltung staunte. Er belohnte mich mit einem Kuss auf die Stirn und einem sanften Blick. Dann sagte er, ich solle im Bett bleiben. «Ich räume allein auf. Bleib hier und ruh dich aus.»
Ich
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