Shoppen und fischen
die Waage, bis sie sich auf 57 ½ Kilo eingependelt hatte.
«Achtundfünfzig», sagte die Schwester laut.
Ich funkelte sie an. Was glaubte sie, warum ich wollte, dass Marcus sich umdrehte? «Für mich sah es aus wie 57 ½», stellte ich fest.
Sie ignorierte mich und notierte «58» auf meiner Karte.
Trotzdem, das waren gute Nachrichten. Ich wog 57 ½ kg, also 55 oder 56 ohne Kleider. Noch nicht zugenommen.
«Wie groß sind Sie?», fragte die Schwester.
«Eins fünfundsiebzig.»
Sie notierte auch das und führte uns in ein kleines, eiskaltes Untersuchungszimmer. «Die Ärztin kommt gleich.»
Ich setzte mich auf den Stuhl, und Marcus wandte sich wieder einem Magazinständer zu. Als er sah, dass dort nur Elternzeitschriften im Angebot waren, las er lieber gar nichts. Ein paar Minuten später hüpfte eine kleine, zierliche Frau, die nicht älter als fünfundzwanzig Jahre aussah, herein. Ihr dichter blonder Pagenschnitt umrahmte riesige Brillant-Ohrstecker. Schwarze, kniehohe Lederstiefel stießen an den Saum ihres frisch gestärkten weißen Arztkittels.
«Hi. Ich bin Jan Stein. Tut mir Leid, ich bin heute ein bisschen spät dran.» Sie strahlte mich an und erinnerte mich an Tammy Baxter – erster Cheerleader an der High School –, die immer auf der Spitze unserer Pyramide stehen durfte, während ich ihre Ferse mit meiner Schulter stützen musste.
«Darcy Rhone», sagte ich und saß ein kleines bisschen aufrechter, als ich sah, dass sie für ihre zierliche Gestalt einen ziemlich großen Busen hatte. Aber eine Ärztin ließ sich doch sicher nicht die Titten machen. Also mussten sie echt sein. Als relativ flachbrüstige Frau hat mich diese Kombination immer ziemlich geärgert. Bitte sehr, ein Mädel konnte ruhig einen großen Busen haben, solange nur ein orangenhäutiger Arsch dazukam. Aber Jans Ausstattung war einfach unfair. Vielleicht würde Marcus nichts bemerken, dachte ich, als ich ihn als «der Vater» vorstellte.
«Freut mich.» Sie strahlte Marcus an, und ich sah zu meiner Befriedigung, dass ihr rechter Schneidezahn mit dunkelrotem Lippenstift beschmiert war.
Marcus lächelte breit zurück. Ich hätte mir am liebsten selbst in den Hintern getreten, weil ich um eine Ärztin ersucht hatte.
«Soll ich mich ausziehen?», fragte ich ungeduldig, bevor Jan Marcus noch länger faszinierte.
«Nein, ich denke, wir werden uns zuerst ein bisschen unterhalten. Ich möchte gern Ihre Krankengeschichte durchgehen und Ihre Fragen beantworten. Sie haben sicher eine Menge.»
«Ist mir recht», sagte ich, obwohl ich eigentlich keine Fragen hatte – außer vielleicht, ob es okay war, gelegentlich eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wein zu trinken.
Jan nahm uns gegenüber Platz, rollte mit ihrem Stuhl näher heran und schob meine Karte in ein altmodisches hölzernes Klemmbrett. «Also. Erstens. Können Sie mir das Datum Ihrer letzten Periode sagen?»
«Ja. Das kann ich.» Ich war stolz, dass ich daran gedachthatte, noch am Morgen im Kalender nachzusehen. «Am achten August.»
Sie machte sich eine Notiz auf der Karte, und ich betrachtete den gigantischen Smaragdschliff-Klunker an ihrem Finger. Sie trug Diamanten für mindestens hunderttausend Dollar am Leibe. Ich hätte wetten mögen, sie war mit einem älteren, grauhaarigen Chirurgen verheiratet. Ein Stich durchfuhr mich beim Gedanken an meinen Verlobungsring, den ich verkaufen wollte, aber ich beruhigte mich: Es war hip, mit dem Partner und nicht mit dem Ehemann in der Schwangerschaftssprechstunde zu sitzen. Da war ich wie ein Promi. Viele von denen übersprangen das Heiraten und kriegten gleich ein Baby.
«Und wann wird das Baby geboren?», fragte ich. Ich wusste, dass es Anfang Mai kommen würde, aber ich wollte unbedingt ein genaues Datum hören.
Jan holte eine runde Pappschablone hervor, drehte sie kurz und spähte blinzelnd auf das Datum. «Okay. Ihr errechneter Geburtstermin – oder ET, wie ich gelegentlich sage – ist der zweite Mai.»
Am 2. Mai wurde Dexter fünfundreißig. Ich sah Marcus an; er hatte keine Ahnung, was dieses Datum bedeutete. Ich finde es erstaunlich, wie selten Männer die Geburtstage ihrer Freunde kennen. Also erklärte ich für Jan und Marcus: «Ich hoffe, es passiert früher – oder später –, denn das ist der Geburtstag meines Ex-Verlobten.»
Marcus verdrehte kopfschüttelnd die Augen, und Dr. Stein lachte und versicherte mir, dass nur zehn Prozent aller Babys wirklich zum vorausberechneten Termin zur Welt
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