Shoppen und fischen
kamen.
«Warum?», fragte ich.
Jan sah einen Moment lang ratlos aus – kein gutes Zeichen, wenn eine so simple Frage sie aus dem Konzept brachte –, und dann sagte sie: «Das voraussichtliche Datum ist nur ein Anhaltspunkt.»
«Oh», sagte ich und dachte, eine ältere Ärztin hätte wahrscheinlich eine bessere Antwort gewusst. Oder sogar eine jüngere, aber weniger attraktive Ärztin. Hässliche Mädchen hatten auf der Uni mehr Zeit zum Lernen. Ich hätte wetten können, dass Jan die Schlechteste ihres Jahrgangs gewesen war. Wahrscheinlich säße sie heute gar nicht hier, wenn ihr Freund, der Chirurg, nicht wäre. «Verstehe.»
«Ja», sagte Jan forsch, «dann würde ich jetzt gern Ihre Krankengeschichte durchgehen und Ihnen ein paar Fragen stellen.»
«Gern», sagte ich und sah, wie Marcus ihren straffen linken Oberschenkel musterte.
Ich funkelte ihn an, während Jan mit ihrem Frage-und-Antwort-Spiel begann. Sie fragte nach meinem Alter (ich war froh, dass ich neunundzwanzig statt dreißig sagen konnte), nach früheren Erkrankungen, welche Medikamente ich nähme, und wollte eine Menge über meinen Lebenswandel wissen: Wie oft ich Alkohol trank, Sport trieb, ob ich rauchte, wie ich mich ernährte, etc. Nachdem sie meine gesamte Lebensgeschichte aufgezeichnet hatte, hob sie den Kopf. Ein Lächeln klebte auf dem stark geschminkten Gesicht.
«Und wie fühlen Sie sich?», fragte sie. «Irgendwelche Beschwerden? Übelkeit?»
«Meine Brüste tun ein bisschen weh», sagte ich.
Marcus sah verlegen aus, und deshalb fügte ich unaufgefordert hinzu: «Wenn er sie anfasst.»
Jan nickte ernst. Marcus zuckte zusammen.
Ich redete weiter. «Und sie sind ein bisschen größer, voller … Und die Höfe sind dunkler … Aber davon abgesehen fühle ich mich genau wie immer. Und ich wiege auch noch das Gleiche», erklärte ich stolz.
«Na ja, Sie sind auch erst seit fünfeinhalb Wochen schwanger; das ist noch ein bisschen früh für eine Gewichtszunahme», sagte Jan. «Allerdings könnten Sie bald merken, dass Ihr Appetit zunimmt. Wenn das nicht bereits der Fall ist.»
«Nein», sagte ich stolz. «Und ich habe auch nicht vor, eine dieser gefräßigen Schwangeren zu werden. Davon haben Sie bestimmt schon jede Menge gesehen.»
Jan nickte wieder und notierte etwas auf meiner Karte. Dann verkündete sie, dass wir jetzt zur Untersuchung schreiten könnten.
«Soll ich rausgehen?», fragte Marcus.
«Sie können gern bleiben», sagte Jan.
«Siehst du», sagte ich zu ihm, und zu Jan: «Es ist ihm peinlich.»
«Das muss es nicht. Es ist toll, dass er sich so einbringt.»
«Na ja – wir sind noch nicht verheiratet», sagte ich. «Aber er ist wirklich ganz dabei.»
Jan lächelte und sagte, ich solle das Hemd anziehen, das auf dem Untersuchungsstuhl lag; sie komme gleich zurück. Kaum war sie draußen, fragte ich Marcus, ob er unsere Ärztin hübsch fände.
«Sie ist okay», sagte er. «Ganz niedlich.»
«Wie alt würdest du sie schätzen?»
«Achtundzwanzig?»
«Bin ich hübscher?»
«Ja, Darce. Du bist hübscher.»
«Werde ich auch noch hübscher sein, wenn ich zwanzig Pfund schwerer bin?»
«Ja», sagte er, und es klang wenig überzeugt.
Jan kam zurück, als ich mich auf dem Stuhl niedergelassen hatte. Sie maß meinen Blutdruck und untersuchte dann Herz, Brüste und Lunge. «Jetzt werde ich Ihren Gebärmutterhals untersuchen.»
«Um sicherzugehen, dass ich schwanger bin?»
«Das sehen wir am Blut- und Urintest – aber ja, wir untersuchen damit die Größe und Form Ihres Beckens und können feststellen, wie weit Ihre Schwangerschaft ist.»
Ich nickte.
«Jetzt entspannen Sie sich einfach.»
Ich öffnete die Knie. «Kein Problem», sagte ich und schaute an ihr vorbei Marcus an, der sichtlich so tat, als sei er ganz woanders.
Nach der Untersuchung zog ich mich wieder an, ging auf die Toilette und pinkelte in einen Plastikbecher. Ich ließ mir Blut abnehmen und kehrte ins Untersuchungszimmer zurück. Jan sagte, sie werde sich melden, sobald die Laborbefunde da seien.
«Ich gebe Ihnen schon mal ein Rezept für ein Vitaminpräparat. Es enthält Folsäure, die extrem wichtig für die Entwicklung des Rückenmarks Ihres Babys ist. Sie nehmen es bitte auf vollen Magen.» Sie füllte das Rezept aus; ihre Handschrift war ungewöhnlich sauber für eine Ärztin (auch ein schlechtes Zeichen – richtige Ärzte sollten schlampig schreiben). «Herzlichen Glückwunsch Ihnen beiden», sagte sie. «Wir sehen uns in vier
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