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Shoppen und fischen

Shoppen und fischen

Titel: Shoppen und fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Annalise?»
    Annalise nickte ernst.
    «Aus
Long Island
», sagten Ethan und Rachel wie aus einem Munde und mit der gleichen spöttischen Miene.
    Also eine lange Insel und keine kurze? Aber damit wurde nichts klarer.
    «Long Island gehört zu New York», sagte Rachel in ihrem neunmalklugen Tonfall.
    «Oh. Ja. Genau. Das wusste ich natürlich. Ich hab bloß nicht gehört, dass sie
long
gesagt hat», log ich. «Du etwa, Annalise?»
    «Nein», sagte Annalise. «Das hab ich auch nicht mitgekriegt.»
    Annalise gab mir nie das Gefühl, dumm zu sein. Das war eine ihrer besten Eigenschaften. Das und die Tatsache, dass sie immer bereit war, alles mit mir zu teilen. Tatsächlich trug ich an diesem Tag ihre blassrosa Badesandalen.
    «Long Island ist der östliche Teil des Staates New York», fuhr Ethan fort. Seine herablassende Belehrung ließ keinen Zweifel daran, dass er mir kein Wort glaubte. Sofort sträubten sich mir die Nackenhaare, und ich bereute auf der Stelle, dass ich versucht hatte, nett zu dem neuen Jungen zu sein.
    «Und warum bist du hierher gezogen?», fragte ich schroff und dachte mir, er hätte lieber auf seiner so genannten Insel bleiben sollen.
    Seine Eltern hätten sich kürzlich scheiden lassen, sagte er, und seine Mutter, die aus Indiana sei, habe wieder näher bei ihren Eltern, seinen Großeltern, leben wollen. Keine besonders glanzvolle Geschichte. Annalise, deren Eltern auch geschieden waren, wollte wissen, ob sein Vater noch in New York lebe.
    «Ja.» Ethan wandte sich wieder seinem Staubgekritzel zu. «Ich sehe ihn in jeden zweiten Ferien und im Sommer.»
    Ich hätte Mitleid mit ihm gehabt – Scheidung schien mir so ungefähr das Schlimmste zu sein, was einem Kind passieren konnte, gleich neben dem Tragen einer Perücke nach der Leukämie-Bestrahlung. Aber es ist schwer, Mitleid mit jemandem zu haben, der dir das Gefühl gibt, dumm zu sein, bloß weil du irgendein unwichtiges geographisches Detail nicht kennst.
    Rachel lenkte vom Thema Scheidung ab und stellte ihm Fragen über New York, als wäre es ihre Idee gewesen, mit ihm zu sprechen. Die beiden schwatzten über das Empire State Building und das Metropolitan Museum of Art und das World Trade Center, lauter Orte, die Ethan schon besucht und von denen Rachel gelesen hatte.
    «In Indianapolis haben wir auch Hochhäuser und Museen», sagte ich trotzig. Für mich gehörte Ethan zu diesen ärgerlichen Leuten, die immer sagen: «Da, wo ich herkomme   …» Dann bugsierte ich Annalise von dieser großspurigen Unterhaltung weg zu einer Runde Himmel und Hölle.
    Nach diesem Tag dachte ich nicht mehr viel an Ethan, bis er und Rachel zu Anfang des nächsten Schuljahrs zusammen in ein Förderprogramm namens «TH» für «talentiert und hoch begabt» gesteckt wurden. Ich hasste diesesT H-Programm und das Gefühl, ausgeschlossen zu sein und die Anforderungen nicht zu erfüllen. Ich konnte die T H-Leute mit ihrer Selbstgefälligkeit nicht ausstehen und sah mit brennendem Groll in der Brust, wie sie fröhlich durch den Korridor zu ihrem geheimnisvollen Raum trabten und nachher wieder herauskamen, sprudelnd vor Aufregung über ihre blöden Experimente, bei denen sie zum Beispiel Boote aus Ton konstruierten, die mit möglichst vielen Nägeln beschwert werden konnten. Diesen Wettbewerb gewann übrigens Ethan; er baute ein Schiff, das neunzehn Nägel aushielt, bevor es unterging. Ich sagte zu Rachel: «Na toll. Ich hab schon, als ich vier war, aufgehört, mit Knete zu spielen.» Ich versuchte immer, diese Luftblase zum Platzen zu bringen, und behauptete, TH bedeutete «Totale Hirnis». Und nur für den Fall, dass der Eindruck entstehen sollte, mir hingen die Trauben zu hoch, erinnerte ich Rachel oft daran, dass ich den T H-Eingangstest um nur einen einzigen Punkt verfehlt hatte, und das auch bloß, weil ich Halsentzündung hatte und mich auf nichts anderes als meine Schluckbeschwerden konzentrieren konnte. (Das mit der Halsentzündung stimmte, das mit dem einen Punkt wahrscheinlich nicht – auch wenn ich nie erfuhr, wie weit ich das Ziel verfehlt hatte. Meine Mutter hatte mir gesagt, die Punktzahl sei gar nicht wichtig, und ich brauchte das T H-Programm nicht, um etwas Besonderes zu sein.)
    Angesichts meines Ärgers über Ethans Überlegenheit war es überraschend, dass ausgerechnet er dann mein erster richtiger Freund war. Überraschend auch, weil Rachel vom ersten Tag an in ihn verknallt gewesen war, während ich entschieden zu Doug Jacksons Lager gehörte. Doug

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