Shoppen und fischen
Nachts gegen Ende April, wenn der Frühling nach London gekommen ist und wir nackt auf den Laken aus feinster langfaseriger ägyptischer Baumwolle in seinem holzgeschnitzten Himmelbett liegen, seit über vier Generationen in Familienbesitz, werde ich die ersten leisen Wehen spüren. «Ich glaube, es ist so weit», werde ich flüstern und sanft an Alistairs Schulter rütteln. Er wird aus dem Bett springen und mir in meinen Kaschmirpyjama helfen, er wird mir mit einer silbernen Bürste durch das Haar gehen und seinen Fahrer kommen lassen, und dann werden wir in Windeseile durch die Londoner Nacht jagen. Und dann wird er sich über mein Klinikbett beugen, mir über die Stirn streichen, zarte Küsse auf meinen Haaransatz drücken und murmeln: «Pressen, Darling. Pressen, mein Schatz.»
Und es wird noch einmal Liebe auf den ersten Blick sein, wenn er meine Tochter sieht, die mir wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Die Tochter, die er adoptieren wird. «Unsere Tochter», wird er allen Leuten sagen. Wenn sie ihren ersten Zahn bekommt, werden wir beide schon vergessen haben, dass ihr Erzeuger ein ungehobelter Amerikaner ist. Und bis dahin werde ich sicher auch Rachel und Dex ganz und gar vergessen haben. Ich werde so «glücklich und zufrieden bis ans Ende meiner Tage» leben, dass ich nicht mal einen flüchtigen Gedanken an sie verschwende.
ACHTZEHN
In den nächsten zwei Wochen stürzte ich mich mit Volldampf in die Vorbereitungen und sah kein anderes Ziel mehr, als meine Angelegenheiten in New York zum Abschluss zu bringen und nach London zu gehen. Ich gab eine Kleinanzeige auf und fand ein junges Paar, dem ich mein Apartment untervermieten konnte. Ich verkaufte meinen besudelten Verlobungsring im Diamantenviertel und mein Brautkleid bei eBay. Den Erlös und das Geld auf meinem Konto zusammengerechnet, konnte ich meine Schwangerschaft in London hinter mich bringen, ohne einen Tag zu arbeiten.
Endlich war ich fertig, meine Koffer waren voll gestopft mit meinen schönsten Habseligkeiten, und ich war unterwegs zum Kennedy Airport, um den Nachtflug nach London zu nehmen. Von restloser Genugtuung erfüllt, ging ich an Bord: Ich verließ diese Stadt, ohne ein Wort an die zu verlieren, die mich verraten hatten. Ich ließ mich in meinem Sessel in der Business Class nieder, zog ein Paar Kaschmirslipper an und versank in einen tiefen, friedlichen Schlaf.
Als ich sieben Stunden später aufwachte, schwebte das Flugzeug über grünen Wiesen und einem gewundenen blauen Band, das die Themse sein musste. Mit Herzklopfen begriff ich, dass mein neues Leben begonnen hatte, und ich wurde noch aufgeregter, als ich durch die Passkontrolle ging (und ein bisschen flunkerte, was die Dauer meines geplanten Aufenthalts anging, genau wie ich es Ethan gegenüber getan hatte), britisches Geld aus einem Automaten zog und mit einem schwarzen Taxi von Heathrow zu Ethans Wohnung fuhr.
Die Fahrt nach London weckte mich auf, und schon jetzt fühlte ich mich wie eine Frau von Welt. Ich saß aufrechter, ich sprach anständig mit meinem Fahrer und spickte unsere Plauderei mit lauter Artigkeiten, statt wie sonst nur knappe Anweisungen zu geben. Dies war ein zivilisiertes Land, und hier würde ich mein Wohlergehen finden. Ein kultiviertes Leben. Leute wie Madonna und Gwyneth Paltrow, die überall auf der Welt leben konnten, hatten sich für London entschieden, nicht für das müde alte New York oder Los Angeles. Ich hatte entscheidende Gemeinsamkeiten mit diesen Frauen. Stil. Schönheit. Ein gewisses
je ne sais quoi
. Vielleicht würde ich mich ja sogar mit Madge und Gwynnie anfreunden. Und mit Kate Moss, Hugh Grant und Ralph Fiennes.
Nach vierzig Minuten höflicher Konversation kam ich in Ethans Straße an. Der Fahrer stieg aus und half mir mit meinem Gepäck, bis alle meine Louis-Vuitton-Koffer sauber aufgereiht am Gehsteigrand standen. Ich gab ihm zwei violette Zwanziger und einen schönen grünen Fünfer – bunte Scheine mit einem Porträt der jungen Königin Elizabeth II. Sogar das Geld war interessanter und hübscher in England. «Bitte sehr, Sir. Der Rest ist für Sie. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe», sagte ich mit einem ganz leicht angedeuteten Knicks. Das kam mir sehr britisch vor.
Mein Fahrer lächelte und zwinkerte mir zu.
Es war ein guter Anfang. Ich seufzte tief, und mein Atem wölkte durch den kalten Novembermorgen. Ich stapfte die sechs verwitterten Marmorstufen zu Ethans Haustür hinauf, suchte die Nummer seiner Wohnung und
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