Shoppen und fischen
war der beliebteste Junge in unserer Klasse, und ich ging davonaus, dass wir beide ein ziemlich heißes Pärchen werden würden, bis er ein Foto von Heather Locklear auf seine Ringbuchmappe klebte und erklärte, Blondinen seien ihm lieber als Brünette. Über dieses Statement war ich ziemlich sauer, und ich beschloss, mir einen anderen Kandidaten zu suchen, vielleicht sogar einen aus der Sechsten. Der dünne, blasse Ethan war der Letzte, an den ich dabei dachte.
Aber eines Tages beobachtete ich ihn am Karteischrank, wo er nach «Peru» suchte, und ich sah plötzlich, was Rachel an ihm fand. Er war ziemlich niedlich. Also schwebte ich hinüber und prallte absichtlich mit ihm zusammen, um angeblich eine Schublade weiter eine Karte über «Paraguay» zu suchen. Er sah mich komisch an, lächelte, und seine Grübchen blitzten auf. In diesem Augenblick entschied ich, dass Ethan mir gefallen würde.
Als ich Rachel die Neuigkeit ein paar Tage später eröffnete, nahm ich an, dass sie sich freuen würde; darüber, dass ich ihr endlich zustimmte und dass wir schon wieder etwas miteinander gemeinsam hatten. Zwei beste Freundinnen sollten schließlich in allen Dingen einer Meinung sein, erst recht in so wichtigen Fragen wie der, für wen man schwärmte. Aber Rachel freute sich überhaupt nicht – im Gegenteil, sie war wütend und entwickelte plötzlich heftiges Revierverhalten, als ob Ethan ihr
gehörte
. Annalise wies sie darauf hin, dass sie und ich monatelang gemeinsam für Doug geschwärmt hatten, aber Rachel ließ nicht mit sich reden. Sie beharrte darauf, dass Doug ein ganz anderer Fall sei, und sie blieb eingeschnappt und selbstgerecht und brummte ständig, sie habe Ethan als Erste gemocht.
Das stimmte; sie hatte Ethan als Erste gemocht. Aber ich sah die Sache so: Wenn sie ihn so verdammt gern hatte,hätte sie aktiv werden und zur Tat schreiten müssen. Und zur Tat schreiten bedeutete nicht, dass sie seine Initialen an das beschlagene Autofenster ihrer Mutter malte. Aber Taten waren nie Rachels Sache gewesen. Das war meine Abteilung.
Also schrieb ich Ethan ein paar Tage später ein Briefchen und fragte ihn, ob er mit mir gehen wolle. Er sollte ein Kästchen neben
ja
,
nein
oder
vielleicht
ankreuzen. Der Fairness halber schrieb ich als vierte Option Rachels Namen dazu. Aber im letzten Moment riss ich diesen Teil des Zettels ab, weil ich fand, dass sie nicht die Nutznießerin meiner Aktion sein sollte. Außerdem hatte ich keine Lust, gegen Rachel zu verlieren, wenn sie mich schon auf so vielen anderen Gebieten in den Schatten stellte. Sie nahm schließlich auch am T H-Programm teil. Also ließ ich meinen Zettel zu ihm wandern, Ethan malte ein Kreuz in das «Ja»-Kästchen, und wir waren ein Paar. Wir telefonierten, wir flirteten in den Pausen, und ein paar Wochen lang war es aufregend und kribbelnd.
Aber dann änderte Doug seine Meinung und gab bekannt, dass ihm Brünette doch lieber waren als Blondinen. Also schoss ich Ethan ab und begab mich zurück auf den Markt der fünften Klasse. Zum Glück fiel unsere Trennung mit Ethans plötzlicher Ungeheuer-von-Loch-Ness-Besessenheit zusammen; wochenlang redete er von nichts anderem und plante sogar für den Sommer eine Reise in die Schweiz oder nach Schottland oder wo auch immer das Biest leben mochte. So konnte er sich auf etwas anderes konzentrieren und kam relativ schnell über mich hinweg. Kurze Zeit später war auch Rachel über Ethan hinweg. Sie interessiere sich nicht mehr für Jungs, erklärte sie – einevernünftige Entscheidung, denn es stellten ihr auch nicht gerade viele nach.
Und so kämpften wir uns alle weiter bis zur Junior High und dann zur High School. Annalise, Ethan, Rachel und ich waren eine kleine Clique (auch wenn ich außerdem in populäreren Kreisen verkehrte), und niemand kam je wieder auf die Geschichte von dem Liebesdreieck in der Fünften zu sprechen. Nach der High School hielt ich weiter Kontakt zu Ethan, aber das hauptsächlich über Rachel. Die beiden hatten ein sehr enges Verhältnis, besonders während seiner Scheidung. Als Ethan in der Krise steckte, kam er häufig nach New York – so oft, dass ich mich schon fragte, ob er und Rachel vielleicht zusammenkommen würden. Aber Rachel beteuerte immer, dass es keine romantischen Gefühle zwischen ihnen gebe.
«Glaubst du, er könnte schwul sein?», fragte ich sie manchmal und bezog mich dabei auf seine engen Freundschaften zu Frauen, auf seine Empfindsamkeit und seine Liebe zur klassischen
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