Shoppen und fischen
drückte auf den Bronzeknopf daneben. Ich hörte ein schwächliches Summen, und dann kam ein «Ja?» aus der Sprechanlage.
«Ethan? Ich bin da! Beeil dich! Ich erfriere!»
Ein paar Augenblicke später lachte Ethan mir durch die geschliffene Glasscheibe in der Haustür entgegen. Er stieß schwungvoll die Tür auf und nahm mich in die Arme. «Darcy! Wie war die Reise?»
«Wunderbar», sagte ich und gab ihm einen doppelten Euro-Kuss auf seine rosigen Wangen – einmal rechts, einmal links. Ich fuhr mit der Hand durch sein honigblondes Haar. Es war länger als früher und lockig wie eine Löwenmähne. «Tolle Frisur, Ethan.»
Er bedankte sich und sagte, er habe keine Zeit gehabt, zum Friseur zu gehen. Dann lächelte er, und es klang aufrichtig, als er sagte: «Schön, dich zu sehen, Darcy.»
«Es ist
toll
, dich zu sehen, Ethan.»
«Und wie geht’s dir?» Seine Hand strich in tröstenden Kreisen über meinen Rücken.
Bestens, sagte ich, sobald ich aus der Kälte herauskäme und meine Poren reinigen könnte. «Du weißt ja, wie so ein Flug die Haut verwüstet. Die ganze abscheuliche, umgewälzte Luft. Aber zumindest hab ich mich nicht hinten in den Viehtransport zwängen müssen. Ist scheußlich dort beim gemeinen Volk.»
«Du bist auch alles andere als gemeines Volk», sagte er, und sein Lächeln erstarb, als er an mir vorbeischaute und mein Gepäck auf dem Gehsteig entdeckte. «Das ist sicher ein Witz. All das für ein paar Wochen?»
Ich hatte ihm noch nicht gesagt, dass mein Plan weit über ein paar Wochen hinausreichte und dass ich eher an ein paar Monate dachte, vielleicht sogar an einen dauerhaften Aufenthalt. Aber das würde ich ihm nach und nach beibringen. Wenn ich ihm dann die ganze Wahrheit sagte,würde unsere Freundschaft das Band zwischen ihm und Rachel längst ersetzt haben. Außerdem würde ich ja umgehend meinen Alistair finden.
Ethan verdrehte die Augen. Dann wuchtete er meine beiden größten Koffer auf die Treppe. «Verdammt, Darce. Hast du da ’ne Leiche drin?»
«Ja. Da ist Rachel drin», sagte ich stolz und deutete auf den einen Koffer. «Und Dex ist in dem da.»
Er schüttelte den Kopf und warf mir einen warnenden Blick zu, als wolle er mir sagen, dass er nicht vorhabe, über seine kostbare Rachel herzuziehen. «Im Ernst. Was ist da für Mist drin?»
«Kleider, Schuhe. Eine Menge Kosmetikartikel, Parfüm, solche Sachen eben.» Ich nahm die leichteren Taschen und erklärte ihm, dass Schwangere nicht mehr als zehn Kilo heben sollten.
«Aha.» Ethan kämpfte sich zur Haustür hinein. Vier Runden später hatte er mein ganzes Gepäck ins Haus geschafft. Ich folgte ihm in den dunklen, nach Mottenkugeln riechenden Hausflur mit einem Teppichboden in Siebziger-Jahre-Grün. Ich muss das Gesicht verzogen haben, denn Ethan fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei.
«Mottenkugeln», sagte ich und rümpfte die Nase.
«Besser als Motten», meinte Ethan. «Wir wollen ja nicht, dass sie deine teuren Jumper ruinieren.»
«Jumper?»
«Pullover.»
«Meine Jumper. Ja.» Es war aufregend, britische Slangausdrücke für alles Mögliche zu lernen. Vielleicht konnte ich mir sogar einen britischen Akzent zulegen.
Ethan führte mich durch den langen, kühlen Flur nachhinten und dann – zu meiner Enttäuschung – eine Treppe hinunter. Souterrainwohnungen konnte ich nicht ausstehen. Sie machten mir Platzangst. Außerdem hieß das: kaum Licht, keine Terrasse, keine Aussicht. Aber vielleicht würde die Wohnung es wettmachen, dachte ich, als Ethan seine Tür aufstieß. «Da wären wir», sagte er.
«Home, sweet home.»
Ich sah mich um und versuchte meine Enttäuschung zu verbergen.
«Ich hab ja gesagt, es ist eine kleine Wohnung», sagte er und führte mich unbekümmert herum. Alles war sauber und ordentlich und gut eingerichtet, aber nichts kam mir besonders europäisch vor – abgesehen von ein bisschen hübschem Stuck rings um die ziemlich hohen Decken. Die Küche war eine Allerweltsküche, das Bad regelrecht grausig – mit Teppichboden ausgelegt (bizarr für ein Bad, aber nichts Ungewöhnliches, sagte Ethan) –, und die Toilette war absolut winzig.
«Eine süße Wohnung», sagte ich mit gespielter Munterkeit. «Wo ist mein Zimmer?»
«Geduld, meine Liebe. Dazu kommen wir gleich.» Ethan führte mich in ein Zimmer neben der Küche. Es war kleiner als die Dienstmädchenkammer in einem New Yorker Apartment, und das einzige Fenster war mit einem rostigen Eisengitter gesichert, obwohl es so schmal war,
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