Shoppen und fischen
und lachte. «Du bist bescheuert, Darce. Das Bild ist winzig. Du warst noch nie in der National Gallery, oder?»
Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und lächelte betreten. «Okay. Nein. Du hast mich erwischt. Du weißt, dass ich Museen nicht mag, Ethan! Ich lebe lieber mein Leben, statt zusammen mit dämlichen amerikanischen Touristen durch dunkle Räume zu wandern.» Das klang wie eine gute Ausrede. Wie wenn jemand sagt, er liest keine Zeitung, weil die Nachrichten zu deprimierend sind. Das hatte ich in der Vergangenheit auch schon angeführt.
«Ich finde ja auch, dass man nicht jeden Augenblick im Museum verbringen soll, wenn man in eine neue Stadt kommt, aber dir entgeht doch eine Menge, wenn du
alle
Museen ignorierst … Ich würde dir jedenfalls gern etwas von London zeigen. Etwas Anderes als Harrods und Harvey Nichols. Was meinst du?»
Ich dachte, am allerliebsten würde ich nochmal zu Joseph gehen und die Lederjacke kaufen, der ich am Tag zuvor widerstanden hatte. Sie kostete über vierhundert Pfund,aber sie war klassisch genug, um eine Ewigkeit zu halten – ein Einkauf, den man niemals bereut. Sie würde sicher weg sein, wenn ich morgen nicht nochmal hinginge. Aber die Vorstellung, einen Tag in Gesellschaft zu verbringen, gefiel mir auch. Wenn Ethan Londoner Kultur haben wollte, würde ich ihm den Gefallen tun.
Am nächsten Morgen weckte Ethan mich um acht und schnatterte aufgekratzt über die Tagesplanung. Wir duschten und zogen uns rasch an, und um neun waren wir unterwegs zur Kensington High Street. Es war ein eisiger, grauer Tag, und während ich meine mit Kaninchenfell gefütterten, auberginefarbenen Lederhandschuhe überstreifte, fragte ich Ethan, warum es einem in London immer so viel kälter vorkam, als es tatsächlich war.
«Das liegt an der Luftfeuchtigkeit», sagte er. «Die dringt durch alle Schichten der Kleidung.»
«Ja», sagte ich fröstelnd. «Bis in die Knochen. Bin froh, dass ich meine Stiefel angezogen hab.»
Ethan schnalzte bestätigend, und wir gingen einen Schritt schneller, um warm zu werden. Wenig später erreichten wir, beide ein bisschen atemlos, den Eingang zum Holland Park.
«Von allen Parks in London ist der mein liebster», sagte Ethan strahlend. «Er hat eine so intime, romantische Atmosphäre.»
«Willst du mir damit etwas sagen, Ethan?», fragte ich scherzhaft und hakte mich bei ihm unter.
Lächelnd verdrehte er die Augen und schüttelte mich ab. «Klar. Ich werde dir gleich einen Heiratsantrag machen. Woher wusstest du das?»
«Ich hoffe, der Diamant in deiner Tasche ist einer mit Smaragdschliff. Brillantschliff kann ich einfach nicht mehr sehen.» Wir spazierten auf einer kleinen Allee in weitem Bogen um eine große, offene Rasenfläche herum.
«Brillantschliff ist die runde Form?», fragte er.
«Ja.»
«Verdammt. Jetzt hab ich einen dicken, runden Brillanten gekauft. Da müssen wir wohl Freunde bleiben.»
Ich kicherte. «Sieht so aus.»
«Na, jedenfalls – das da» – er deutete auf die Rasenfläche – «heißt Cricket Lawn.»
«Hier wird Cricket gespielt?»
«Früher ja. Und ich hab auch schon gelegentlich Cricket hier gesehen, aber meistens spielen die Leute Fußball. Und im Sommer ist es eine riesige Liegewiese. Überall Leute mit Decken. Schon bei fünfzehn Grad liegen die Briten in der Sonne … Mein Plätzchen ist da drüben.» Er deutete auf eine schattige Stelle am Rand der Wiese. «Da unter dem Baum hab ich schon viele köstliche Nickerchen gehalten.»
Ich sah ihn vor mir mit seinen diversen Notizbüchern, wie er zu schreiben versuchte und dann einschlief. Ich stellte mir vor, wie schön es wäre, ihn im Sommer mit meinem Baby und einem Picknickkorb hierher zu begleiten. Als wir das Feld an einem Freilichttheater vorbei umrundeten, merkte ich, wie zufrieden es mich machte, hier mit Ethan spazieren zu gehen. Dann dachte ich an Rachel und wünschte, sie könnte ein Foto von uns sehen, wie wir an Thanksgiving durch einen Londoner Park schlenderten. Ich fragte mich, was sie und Dex wohl gerade taten. Ob sie den Feiertag zu Hause in Indianapolis verbrachten? Vielleichtsaßen sie jetzt bei Rachels Eltern in der Küche und tranken Kaffee, und durch das Erkerfenster konnten sie unser Haus sehen.
Ich beschloss, mir die gute Laune nicht verderben zu lassen, und konzentrierte mich wieder auf Ethan, der zahllose Fakten hervorsprudelte, wie er das oft tut. Der Park, erzählte er mir, befinde sich auf dem ehemaligen Grundstück des Holland
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