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Shoppen und fischen

Shoppen und fischen

Titel: Shoppen und fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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und auch mit niemandem zu Hause gesprochen. Ich hatte bisher weder meinen Eltern noch meinem Bruder gesagt, dass ich nicht mehr in New York war, und es bereitete mir große Genugtuung zu wissen, dass ich Gesprächsthema am Esstisch sein würde.
    «Was möchtest du unternehmen?», fragte Ethan.
    «Na, die Geschäfte werden doch offen sein, oder? Wenn es hier kein Feiertag ist?»
    Er verzog das Gesicht. «Du willst noch mehr einkaufen?»
    «Wir könnten für dich einkaufen», versuchte ich ihn zu locken. «Ich liebe Herrenausstatter.» Ich dachte daran, wie oft ich für Dex eingekauft hatte – und wie hinreißend er in den von mir zusammengestellten Outfits ausgesehen hatte. Jetzt, wo ihm nur noch Rachel half, lief er wahrscheinlich in Banana-Republic-Klamotten herum. Sein Stil würde ohne mich ganz sicher erheblich leiden.
    «Ich dachte eher an so was wie einen netten, langen Spaziergang an der Themse. Oder im Regent’s Park. Warst du da schon mal?»
    «Nein», sagte ich. «Aber es ist eiskalt draußen. Willst du wirklich den Tag im Freien verbringen?»
    «Okay. Wie wär’s dann mit einem Museum? Warst du schon in der National Gallery?»
    «Ja», flunkerte ich. Ich hatte keine Lust, mich da hinschleifen zu lassen. Museen machen mich müde, und von dem dämmrigen Licht kriege ich Depressionen. Außerdem hatte ich keine Lust auf Naserümpfen wegen der vielen Tage, die ich in Geschäften statt in Museen verbracht hatte. Sollte er mich trotzdem darauf ansprechen, hatte ich eine rationale Erklärung dafür parat: Museen und Kathedralen liefen nicht weg, aber die Mode änderte sich von Sekunde zu Sekunde.
    «Ach, wirklich? Du hast gar nichts davon erwähnt», sagte er mit leisem Argwohn. «Wie fandest du den Sainsbury-Flügel?»
    «Oh. Ich war begeistert. Wieso? Wie findest du ihn denn?» Ablenkung ist immer eine gute Flunkertechnik.
    «Ich finde ihn großartig   … Ich hab einen Artikel darüber geschrieben.»
    Ich gab mich nachdenklich. «Was stand in dem Artikel?»
    «Oh, dass die Modernisten ihn kritisieren, weil sie eine stromlinienförmige Schlichtheit in der Architektur bevorzugen. ‹Weniger ist mehr›, weißt du?   … Während die Postmodernen, auch Robert Venturi, der Amerikaner, der ihn entworfen hat, eher finden, ein Gebäude sollte im Einklang mit seiner Umgebung stehen   … und deshalb reflektieren die Räume in diesem Flügel den kulturellen Kontext derRenaissance-Werke, die darin untergebracht sind.» Obwohl das Thema so langweilig war, sprach Ethan ganz aufgeregt darüber.
    Er fuhr fort. «Da gibt es diesen großartigen Innenraum, in dem alles Mögliche los ist – zum Beispiel die perspektivische Illusion durch die Bogenreihen, die in der Ferne kleiner werden, genau wie bei der Scala Regia vor dem vatikanischen Palast   … denn, wie Venturi sagt: ‹Weniger ist langweilig.›»
    «Hmmm.» Ich nickte. «Weniger
ist
langweilig. In diesem Punkt muss ich Venturi zustimmen.»
    Ethan rückte seine Brille zurecht. «Das würde Prinz Charles auch tun. Als er die ersten modernistischen Pläne für einen sehr viel schlichteren Bau gesehen hatte, merkte er an, der Flügel werde ‹ein monströses Furunkel im Gesicht eines lieben Freundes› werden.»
    Ich lachte. «Keine Ahnung, was ein Furunkel ist, aber es klingt nicht hübsch. Ich wünsche Rachel eins auf die Nase.»
    Ethan ignorierte diese Bemerkung und wollte wissen, welche Bilder mir am besten gefallen hätten.
    «Oh, ich wüsste gar nicht, wie ich mich da entscheiden soll.»
    «Hast du
Christus in Emmaus
gesehen?»
    «Ja. Brillant.»
    «Und wie ist es mit der
Arnolfini-Hochzeit
von Jan van Eyck?»
    «Oh, das war auch toll.»
    «Hast du die Inschrift an der Wand auf dem Bild gesehen?»
    «Hilfst du mir auf die Sprünge?»
    «Die Inschrift über dem Spiegel   … Übersetzt lautet sie: ‹Jan van Eyck war hier›, und tatsächlich sieht man ihn imSpiegel, zusammen mit dem Brautpaar und einem anderen Gast. Ich hab mich immer gefragt, warum Jan van Eyck sein eigenes Porträt in dem Gemälde unterbringen wollte. Was meinst du, was er damit sagen wollte?»
    Ich fühlte mich plötzlich wieder wie eine College-Studentin, die von einem Professor für Kunstgeschichte in die Zange genommen wird. «Hmmm. Keine Ahnung.»
    «Ich auch nicht   … aber es macht einen doch nachdenklich   … Und findest du es nicht toll, wie groß das Bild ist? Wie es den ganzen Raum beherrscht?»
    «M-hm», sagte ich. «Es ist wirklich riesenhaft.»
    Ethan schüttelte den Kopf

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