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Shoppen und fischen

Shoppen und fischen

Titel: Shoppen und fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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neuen Darcy passte und dass ich niemanden täuschen musste, um einen Job zu finden. Also sagte ich, nein, ich hätte keine, und fügte hinzu: «Aber glauben Sie mir, Mr.   Dobbs, ich kann alles hier bewältigen. Mein Job in Manhattan war eine große Herausforderung. Ich habe jede Menge Überstunden gemacht und war sehr erfolgreich.»
    «Hmm. Tja. Tut mir Leid, Dicey», sagte er, aber es hörte sich kein bisschen so an.
    «Darcy», sagte ich.
    «Ja. Schön. Es tut mir Leid, Darcy. Wir können nicht einfach
irgendjemanden
auf unsere Bewohner loslassen. Siebrauchen schon Qualifikationen.» Er reichte mir meinen Lebenslauf zurück.
    Irgendjemand?
Meinte der das ernst? Ich sah meine zukünftige Schwägerin vor mir, wie sie einer sabbernden Greisin das Gesicht abwischte und dabei «O Susanna» summte. Dieser Job erforderte wohl kaum besondere Fertigkeiten.
    «Ich verstehe, was Sie meinen, Mr.   Dobbs   … aber welche Erfahrung braucht man wirklich, um sich auf andere Menschen einstellen zu können? Ich meine, entweder kann man’s, oder man kann es nicht. Und ich kann es», schwallte ich und entdeckte in diesem Moment eine Frau mit einer furchtbaren Osteoporose, die über den Korridor ganz langsam auf uns zukam. Mit seitlich verrenktem Kopf sah sie mich an. Ich lächelte ihr zu und rief mit hoher Stimme ein fröhliches «Guten Morgen!», um zu beweisen, dass ich Recht hatte.
    Während ich darauf wartete, dass sie zurücklächelte, stellte ich mir vor, dass sie Gert hieß und dass sie und ich eine wunderbare Freundschaft miteinander schließen würden, wie in
Dienstags bei Morrie
, einem von Dexters Lieblingsbüchern, einem der vielen, die ich aus Zeitmangel nie gelesen hatte. Gert würde sich mir anvertrauen, sie würde mir von ihrer Kindheit erzählen, von ihren Kriegserinnerungen und von ihrem Mann, den sie traurigerweise um Jahrzehnte überlebt hatte. Und dann, eines Abends, würde sie still dahingehen, während ich ihre Hand hielt. Später würde ich erfahren, dass sie mir ihren ganzen weltlichen Besitz vermacht hatte, darunter auch ihre geliebte Smaragdbrosche im Wert von zigtausend Pfund. Bei ihrer Beerdigung würde ich diese Brosche auf meinem Herzen tragenund vor einer kleinen, intimen Trauergemeinde eine Grabrede halten.
Gertrude war eine ganz besondere Frau. Ich traf sie zum ersten Mal an einem Wintertag

    Ich lächelte Gert noch einmal an, als sie näher kam. Sie murmelte etwas, und ihr schlecht sitzendes Gebiss wackelte ein bisschen.
    «Wie bitte?», fragte ich sie, um Mr.   Dobbs zu zeigen, dass ich nicht nur gütig und freundlich war, sondern auch eine unerschöpfliche Geduld besaß.
    «Hau ab und komm nicht wieder», maulte sie, deutlicher jetzt.
    Ich lächelte strahlend und tat, als hätte ich sie nicht verstanden. Dann schaute ich wieder Mr.   Dobbs an. «Tja, also. Wie gesagt, ich glaube, bei sorgfältiger Betrachtung werden Sie sehen, dass ich für jede Stellung gleichermaßen qualifiziert bin.»
    «Ich bin leider nicht interessiert», sagte Mr.   Dobbs.
    Als Gert an uns vorbeischlurfte, funkelten ihre Augen triumphierend. Ich fühlte mich versucht, ihr und Mr.   Dobbs die Meinung zu sagen. «Macht mal die Augen auf», wollte ich sagen, was mir besonders bei Gert ziemlich angebracht erschien, denn ihre Augen würden bestimmt nicht mehr lange offen bleiben. Aber stattdessen dankte ich Mr.   Dobbs höflich, dass er sich Zeit genommen hatte, und ging.
    Draußen sog ich dankbar die kalte Luft ein und befreite meine Nase von dem sauren Heimgeruch. «Tja», sagte ich laut, «auf zum nächsten Versuch.» Ich ging zur High Street, um mir eine Zeitung zu kaufen. Ich würde beim Frühstück im Muffin Man die Kleinanzeigen durchsehen und mich neu organisieren. Von Mr.   Dobbs oder Gert würde ich mich nicht unterkriegen lassen.
    Am Tea House angekommen, stieß ich die Tür auf und grüßte die polnische Kellnerin, die Ethan und mich an Thanksgiving bedient hatte. Sie lächelte flüchtig und sagte, ich könnte mir einen Platz aussuchen. Ich wählte einen kleinen Tisch am Fenster, setzte mich auf den einen Stuhl und legte Handtasche, Zeitung und Ledermappe auf den anderen. Dann konsultierte ich die klebrige, laminierte Speisekarte und entschied mich für Kräutertee, Rührei und Scones.
    Während ich auf das Essen wartete, sah ich mich in dem blumig dekorierten Raum mit den Monet-Drucken an den Wänden um und bemerkte ein zierliches Mädchen, das an einem Tisch ganz in der Nähe Kaffee trank. Sie hatte

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