Shoppen und fischen
denn heißen?» Er wedelte mit der Hand, damit ich ihm Platz machte.
Ich hob die Beine so hoch, dass er sich auf die Couch setzen konnte, und ließ sie dann auf seine Oberschenkel sinken.«Es soll heißen: Hast du
wirklich
geschrieben, oder hast du dich mit Sondrine rumgetrieben?» Ich stellte die Frage in dem Singsangton, in dem Kinder trällern:
«Verliebt, verlobt, verheiratet!»
«Ich hab wirklich geschrieben», sagte er unschuldig und versuchte dann, das Thema zu wechseln. Was ich heute getan hätte, wollte er wissen.
«Hab einen Job gesucht. Ein paar Anrufe gemacht. Im Netz gesurft.»
«Und?»
«Und ohne Erfolg», sagte ich. «Äußerst frustrierend … Und was läuft so mit Son-
drine
?» Ich sprach den Namen so unfranzösisch wie möglich aus und ließ ihn schwerfällig und unattraktiv klingen.
«Sie ist cool. Unterhaltsam.»
«Stell dich nicht dumm, Ethan.»
Er sah mich ratlos an.
«Ist sie deine Freundin oder was?»
Er gähnte und streckte sich. «Nein, sie ist nicht meine Freundin.»
«Aber du bist ihr
petit chou
.» Ich grinste.
«Was?»
«Ich hab gehört, wie sie mit dir telefoniert hat, bevor du ins Muffin Man kamst. Sie hat dich ihren
petit chou
genannt.»
«Du bist echt
too much
», sagte Ethan lächelnd.
«Ist dir übrigens klar, dass
chou
Kohlkopf bedeutet?» Ich verdrehte die Augen. Ich hatte das Wort im Internet nachgesehen, sowie ich nach Hause gekommen war, und ich konnte nicht fassen, dass sie einen so blöden Kosenamen benutzte.
Ethan zuckte die Achseln. «Keine Ahnung, nein. Ich hab Spanisch gewählt. Weißt du noch?»
«Dein Pech.»
«Warum?»
«Weil deine Freundin Französin ist, darum.»
«Sie ist nicht meine Freundin, Darce», sagte Ethan wenig überzeugend. «Wir haben uns bloß zweimal getroffen.»
«Wann?»
«Einmal letzte Woche … und dann heute.»
«Letzte Woche zum Abendessen?» Ich versuchte mich zu erinnern, an welchen Abenden Ethan besonders spät zurückgekommen war.
«Nein, zum Lunch.»
«Wo?»
«In einem Bistro in Notting Hill.»
«Getrennte Rechnungen?»
«Nein, ich hab gezahlt … Ist dieses Verhör jetzt bald zu Ende?»
«Vermutlich. Ich versteh ja bloß nicht, warum du mir nichts von ihr erzählt hast.»
Er zuckte die Achseln. «Das weiß ich auch nicht. Es ist eigentlich keine große Sache.» Er knetete meine linke, dann meine rechte Ferse. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine Fußmassage bekommen hatte. Das Gefühl war besser als ein Orgasmus, und das sagte ich ihm. Ethans stolzes Lächeln sagte mir:
Du hast noch nie einen Orgasmus mit mir erlebt.
Plötzlich sah ich Ethan und Sondrine vor meinem geistigen Auge, nackt und verschwitzt. Ich sah, wie sie zusammen die Zigarette danach rauchten. Sie musste Raucherin sein – bei dieser rauen Stimme.
«Erzähl mir von ihr», drängte ich.
«Da gibt’s nicht viel zu erzählen … Ich hab sie in der Tate Gallery kennen gelernt. Wir haben die gleiche Ausstellung besucht.» Er machte eine Faust und rollte sie über meinen Rist.
«Wie jetzt – ihr habt euch vor einem Bild kennen gelernt?» Ich dachte an unseren gemeinsamen Besuch der National Gallery und fragte mich, warum er mit mir nicht auch in die Tate gegangen war.
«Nein. Im Museumscafé. Sie stand hinter mir in der Schlange, und ich hab den letzten freien Tisch erwischt. Sie hat gefragt, ob sie sich zu mir setzen darf.» Ich hörte förmlich, wie diese Geschichte später immer wieder erzählt werden würde, wenn irgendjemand fragte, wie sie sich kennen gelernt hätten. Sondrine würde sich bei ihm unterhaken und sagen: «Er hat den letzten Caesar Salad
und
den letzten Tisch gekriegt!»
«Was für eine süße Geschichte», sagte ich.
Er ignorierte meinen Sarkasmus. «Und danach sind wir zusammen durch das Museum gegangen.»
Die ganze Geschichte war meiner Alistair-Phantasie ein bisschen ähnlicher, als mir lieb war. Ich schluckte und versuchte herauszufinden, was es mit dem Klumpen in meiner Brust auf sich hatte. Er fühlte sich an wie eine Mischung aus Neid und Sorge und Einsamkeit.
Ich formulierte noch ein Dutzend weitere Fragen, stellte sie aber alle nicht. Ich hatte genug davon. Wir hörten schweigend Norah Jones. Ethan hatte die Augen geschlossen, und seine Hände lagen immer noch auf meinen Füßen, als er wieder sprach. «Heute im Muffin Man hast du wirklich schwanger ausgesehen», sagte er.
«Du meinst, fett?» Ich dachte an Sondrines Handgelenke,zart wie bei einem Vögelchen. Neben ihr sah
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