Shopping and the City
ich in einem greinenden Tonfall, auf den jede Dreijährige stolz gewesen
wäre. »Ich bin zu jung, um erwachsen zu werden.«
»Außerdem habe ich mich mit Nini Langhorne in Verbindung gesetzt und dich für das GCA-Praktikumsprogramm diesen Sommer eingeschrieben. Sie haben noch einige Plätze übrig, und Nini hat sich bereit erklärt, als dein Tutor zu fungieren.«
»Du hast Nini angerufen?!«, sagte ich und wäre vor Verlegenheit am liebsten im Boden versunken. Wenn ich die ganze Flasche Minzextrakt schlucken würde, würde mein Gehirn sich vielleicht an nichts von alldem hier erinnern, wenn ich morgen früh aufwachte, und dann wäre alles nur ein böser Traum. »Ich meine, was soll das denn? Darf ich denn nicht mehr selbst über mein Leben bestimmen? Ich brauche keinen Tutor .«
»Offensichtlich schon!«
»Als Nächstes verheiratest du mich mit dem Höchstbietenden!«
»Was für eine gute Idee!«
Da war wieder der Sarkasmus.
»Mit dem Geld können wir deine Kreditkarte abbezahlen, vorausgesetzt, dass dich überhaupt jemand nimmt.«
»Haha, sehr komisch.« Ich hasse Sarkasmus.
»Ich sage dir jetzt, was du tun wirst.« Mom hatte die Situation nun fest im Griff. »Miss Stevens hat eine Schuldnerberatung empfohlen, und ich habe zugestimmt«
»Schuldnerberatung?!«
»Bitte wiederhole nicht alles, was ich sage.«
Beinahe hätte ich auch das wiederholt.
»Wir haben es dir immer wieder und wieder gesagt: Man bekommt im Leben nichts geschenkt. Du bist jetzt sechzehn Jahre alt. Alt genug, um den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu kennen.«
Das Thema hatten wir bereits.
»Aber da du das anscheinend nicht kannst, haben wir die Sache in die Hand genommen. Einmal die Woche wirst du an einem Treffen für, nun ja, für fiskalisch Minderbemittelte teilnehmen.«
Oh Gott. Mir sank der Mut.
»Verstanden?«
Langsam setzte die posttraumatische Belastungsstörung ein. Ich konnte nichts weiter tun, als mit offenem Mund dazustehen. »Imogene, du wirst lernen, was Verantwortung bedeutet, und wenn es dich umbringt.«
»Weiß Dad Bescheid?«, fragte ich und betete, dass er es nicht tat.
»Natürlich weiß er Bescheid«, erwiderte sie, »und er ist sehr bestürzt.«
Dad war schon immer sehr empfindsam, wenn es um mich ging. Ich meine, gewöhnlich ist es von den beiden Eltern die Mutter, die weint, wenn ihr Kind die ersten Schritte macht, die Milchzähne verliert, die Hauptrolle in der Schulaufführung bekommt etc. Doch in meinem Fall war es immer Dad.
»Und stör ihn nicht. Er ist in seinem Atelier und stellt den Hartmann-Auftrag fertig.«
A ls ich in mein Zimmer geschlurft kam, sprang Toy von seinem Bettchen auf, um mich zu begrüßen. Seine kleinen Stummelbeinchen und seine übergroßen Ohren ließen ihn wie eine Kreuzung aus Hund und Fledermaus aussehen. Er trug seinen zerschlissenen Booboo im Maul. Ich wusste, dass er spielen wollte. Leider war meine Stimmung so flach wie meine rosa Repetto-Ballerinas. (Ich will jetzt nicht abschweifen, aber nur damit ihr Bescheid wisst: Pink ist für die netten und adretten Greenwich-Mädels wie mich, Schwarz ist für die alternativ angehauchten Rebellen aus dem East Village. Evies waren natürlich schwarz.)
»Ach, Toy«, entfuhr es mir, während ich ihn hochhob und an mich drückte. Er leckte mir die Tränen vom Gesicht. »Wo war mein großer starker Wachhund, als ich ihn wirklich brauchte, he?«, sagte ich. Um seinen Hals trug er einen antiken Hermès-Schal, den ich zu einem lockeren Pompom gebunden hatte. Ein weiteres Geschenk von Tante Tamara. Sie hatte ihn auf dem Marché aux Puces in Paris entdeckt – dem besten Flohmarkt der Welt.
Was mich natürlich schnurstracks darauf bringt, dass ich ihr besser eine E -Mail schicken sollte, um Toys Anprobe im Le Bon Marché abzusagen. Wie hatte ich nur in einen solchen Schlamassel geraten können? Ich
versuchte, mich in ein wunderbares, glückliches Designer-Label-Paralleluniversum zu versetzen. Es klappte nicht. Statt über meine düstere Zukunft zu brüten, entschied ich, meine Kolumne fertig zu schreiben, denn was immer das Gegenteil von joie de vivre ist, es ergriff zusehends von mir Besitz. Ich kippte den Inhalt meines Rucksacks auf meinem Bett aus, ließ mich daneben plumpsen, stöpselte meine Cyber-Shot in mein traumhaftes Titanium PowerBook und machte mich an die Arbeit. Als die Kulturchronistin und allgemeine Trendjägerin der GCA betrachtete ich es als meine Aufgabe – oder besser gesagt, als meine heilige und
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