Shopping and the City
Süße, und zieh das hier an!« Das war nun wirklich der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich konnte bei dieser Scharade nicht länger mitmachen. Ich meine, die Zeit wurde knapp, und ich musste Toy finden, bevor er irgendetwas kaputt machte. Ich musste zur Modenschau zurück. Ich musste meine Reportage erstellen.
»Entschuldigen Sie mich. Ich bin gleich wieder da.« Ich drängte mich an ihr vorbei und stürzte mich in die Menge.
»Imogene!« Ich schaute mich um und entdeckte Caprice beim Kleiderwechsel. »Ich habe dich überall gesucht.«
»Tut mir leid, ich muss gehen.«
Ich machte gerade meinen ersten Schritt vorwärts, als es in der Garderobe plötzlich still wurde. Totenstill. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer, als ein total aufgebrachter Jock Lord aufmarschierte und direkt neben mir stehen blieb.
»Wo ist sie?!«, donnerte Jock Lord. »Wo ist meine Muse?!« Er drehte sich zu einem Mitglied seiner Entourage um, wohl seinem PR-Mann, und stampfte mit dem Fuß auf.
»Wo ist Nicole?!«, verlangte er zu wissen.
So viel zu Nicole Kidman, dachte ich bei mir. Der arme PR-Mann schrumpfte zusehends, während er gleichzeitig in einer verzweifelten und auch etwas beängstigenden Weise vor sich hin murmelte und gestikulierte.
»Du aufgeblasener Dummkopf!«, unterbrach ihn Jock Lord. »Sie sollte das Hochzeitskleid tragen...HEUTE...JETZT … JETZT SOFORT!« Sein Gesicht nahm den wunderschönen Lilaton des Nars-Lidschattens an. »Wo ist das KLEID! Bringt mir das Kleid! Ich muss es sehen! Ich muss es jetzt gleich sehen! Und die Brautjungfern! Die will ich auch sehen!«
»Hier sind sie!!«, rief jemand hinter dem großen weißen Trennschirm. Ihr wisst schon, der Trennschirm, hinter dem ich Toy jaulen gehört hatte.
»Nun dann«, sagte JL ruhiger, als der Kleiderständer heranrollte. »Ich brauche eine neue Muse – jemand Unverbrauchten, jemand Einzigartigen, jemand Brandneuen!« Er wirbelte herum und zeigte auf mich.
»DICH!«
Zeit für ein Mantra.
»Mich?«, fragte ich.
»Ja, dich!«
»Mich?«
»Schluss damit!« Er streckte seine Hand nach mir aus. »Komm zu Jock!« Da Nicole Kidman durch Abwesenheit glänzte, entschied Jock Lord, dass ich die Braut sein würde, das allerletzte Mädchen, das am Ende der Modenschau allein auf dem Laufsteg stand, das Finale, der glänzende Höhepunkt. Ich, Imogene. Es war unmöglich.
Ich trollte mich hinüber und stand von Angesicht zu Angesicht vor Jock Lord. Er betrachtete mich eingehend mit seinen berüchtigten leuchtend blauen Augen. Er runzelte die Stirn, dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem zögernden Lächeln. »Du hast … Sommersprossen. Ich hasse Sommersprossen!«
Da hatte ich einen Geistesblitz. Ich packte Caprice und schubste sie vor mich.
»Sie hat keine Sommersprossen!«
Jock trat einen Schritt zurück und musterte Caprice von Kopf bis Fuß, wobei er abwechselnd sein Kinn rieb, nervös blinzelte und mit seiner Zunge schnalzte.
»Ja. Sie wird eine wunderbare Braut abgeben«, erklärte er. »Zieht ihr das Kleid an.« Und auf sein Fingerschnippen hin umringten Design-Assistenten, Ankleider und Visagisten Caprice. Ich freute mich ja soooooo für sie. Ich meine, endlich hatte sie ihren großen Durchbruch.
Als sie das Kleid auspackten und es ihr überstreifen, gab es ein kollektives Atemstocken, gefolgt von dem spitzen Aufschrei einer der Design-Assistenten, welcher umgehend ohnmächtig in Jock Lords Arme sank. Ich, ebenso wie JL, hielten den Aufschrei für einen Ausdruck göttlicher Verzückung. Ganz ehrlich, die Robe, hautenge weiße Spitze mit einem weiten, vollen Überrock aus Organza, war schlichtweg atemberaubend. Leider war der wahre Grund für die Ohnmacht des DesignAssistenten die Tatsache, dass ein gut Teil des Kleides zerfetzt war – die ganze Rückenpartie etc., dank zweier kleiner zahnender Hunde mit einer Leidenschaft für Kleidung. Die schmutzigen Einzelheiten des Geschreis, Aufruhrs, Tumults und Hundejagens überlasse ich besser eurer Fantasie. Es genügt zu sagen, dass kühle Köpfe siegten, und Jock, der durch und durch ein Profi und der vollendete Meister seiner Zunft war, warf einen bodenlangen Umhang über das Kleid, welcher die Rückenpartie vollkommen verhüllte und absolut gewollt, aber total fantastisch aussah. Meine Wenigkeit wurde gegen ihren Willen als Brautjungfer zwangsverpflichtet, trotz Sommersprossen. Jene Kleider waren selbstredend ebenso zerfetzt, daher endeten auch wir mit Umhängen, um den
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