Shopping and the City
war die halbe Nacht mit mir auf gewesen, das arme Ding, und hatte über den Fotos von der Jock-Lord-Modenschau gebrütet. Evie hatte erstklassige Arbeit geleistet, und ich konnte gar nicht abwarten, sie Mick zu schicken, auch wenn ich nicht sicher war, wie er reagieren würde. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass unsere Fotos sensationell waren und dass meine Reportage von der Modenschau das Beste war, was ich je geschrieben hatte. Ich betete nur, dass Mick es ebenso sehen würde. Ich setzte alles auf eine Karte und hängte auch einige der Straßenszenen an, die ich während des Sommers aufgenommen hatte, sowie einige Schnappschüsse von Evies brillanter Kollektion. Wer weiß, vielleicht gefielen sie ihm.
Ich schrieb eilig meinen zukünftigen Aufenthaltsort auf ein Post-it, klebte diesen an den Glasbehälter mit Gummy-Vites-Multivitamin-Gummibärchen auf Evies Nachttisch und kehrte dann in die Küche
zurück, fest entschlossen, meine Reportage fertig zu stellen.
Ich begann, mein Begleitschreiben an Mick zu verfassen. Wenn ich es mir genau überlegte, war die Modenschau letztendlich ganz fantastisch für Jock Lord und – was noch viel, viel besser war – für Caprice gelaufen, trotz oder gerade wegen ihres ausladenden Hinterteils.
Nach der Schau hinter der Bühne hatte Jock Lord es offiziell gemacht, indem er ihr einen Vertrag anbot, das neue Gesicht für die gesamte Jock-Lord-Marke zu werden, einschließlich Kosmetika, Parfüm und der Jock-Lord-Couture- und Konfektionskollektionen. Ich meine, in einigen wenigen Stunden würde Caprice das begehrteste Supermodel auf dem Planeten sein. Und so liebend gern ich auch zu der anschließenden Party gegangen wäre, entschied ich, stattdessen zur Villa Fantastique zurückzukehren und zu beenden, was ich mir vorgenommen hatte.
Ich war fast so weit, Mick meinen Bericht zu e-mailen, und schwankte nur noch zwischen einigen Adjektiven, als das Telefon klingelte.
»Imogene!«
»Hallo, Mom«, sagte ich kleinlaut.
»Wo bist du gewesen? Ich habe überall in der Stadt Nachrichten für dich hinterlassen. Ich weiß wirklich
nicht, warum wir für dein Handy bezahlen, wenn du nie rangehst.« Mir fiel nichts ein, was ich sagen konnte, aber wahrscheinlich aufgrund meines angegriffenen Gemütszustands verspürte ich plötzlich den übermächtigen Drang, ihr mein Herz auszuschütten. Ich wollte ihr sagen, dass ich den nächsten Zug nehmen und nach Hause kommen würde, dass ich New York auf immer verlassen würde. Ich wollte ihr alles erzählen.
»Ich habe gestern bei dir in der Arbeit angerufen, und irgendein netter Junge namens Malcolm sagte mir, dass du nicht da wärst. Ist alles okay? Ist etwas passiert?«
»Mir geht es gut, Mom«, versicherte ich mit dem letzten Quäntchen Flunkerei in mir. »Hör zu, Mom … ich …«
»Liebling, bevor du ein weiteres Wort sagst«, platzte sie atemlos heraus, »muss ich dir die großartigste Neuigkeit überhaupt erzählen. Sitzt du?«
»Ja, ich sitze.«
»Dein Vater hat endlich seine eigene Ausstellung in einer Galerie! Ist das nicht fantastisch, Kleines?!«
Mir verschlug es die Sprache.
»Imogene, bist du noch dran?«
Kapitel 12
In jedem Mädchen steckt eine Göttin
Datum: 16. Juli
Stimmung: Besinnlich
»Wenn du deinen Weg Schritt um Schritt vor dir sehen kannst, dann weißt du, dass es nicht dein Weg ist. Du bereitest deinen eigenen Weg mit jedem Schritt, den du machst. Genau das macht es zu deinem Weg.« Joseph Campbell
I ch konnte Toy nicht eine Nanosekunde länger festhalten. Sobald ich die Taxitür öffnete, drehte er völlig durch – seine kleinen Beinchen setzten auf dem Kies auf, und schon waren Booboo und er auf und davon. Die heimelige Umgebung mit all ihren vertrauten Geräuschen und Gerüchen war so tröstlich für ihn. Für mich auch.
Ich griff mir meine Kate-Spade-Reisetasche, gab dem Fahrer meine letzten paar Münzen als Trinkgeld und ging auf die Haustür zu. Das Cottage leuchtete in der Sommersonne, und ein wohliges Gefühl stieg in mir hoch. Wenn ich es in einem Wort hätte beschreiben sollen, dann hätte ich es »Dankbarkeit« genannt.
Ich nahm an, dass ich sie wie immer in der Küche vor dem Fernseher finden würde, doch ich irrte mich. Bevor ich die Haustür erreichte, ging sie bereits auf, und Mom erschien, und mir klappte die Kinnlade herunter, nicht weil Toy an mir vorbeirauschte und mich auf seinem Sprint die Stufen hinauf beinahe umwarf, sondern weil sie so gar nicht nach Mom aussah.
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