Shopping and the City
Sie drückte mich fest an sich, so als hätte sie mich jahrelang nicht mehr gesehen. Bis jetzt war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich sie in dem gleichen Maße vermisst hatte wie Dad. Ich drückte sie ebenfalls ganz fest und ließ sie nicht wieder los. Plötzlich löste sich all meine Anspannung, und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, zu Hause zu sein.
»Wie bist du denn so schnell hergekommen? Dad wollte gerade losfahren,
um dich vom Bahnhof abzuholen.« Die Wahrheit war, ich hatte nicht eine Sekunde länger warten können. Nachdem Mom an diesem Morgen angerufen hatte, schickte ich eiligst meine Reportage an Mick, sprach ein stummes Stoßgebet und sprang in ein Taxi. Und bevor man »heimkehrender Pendler« sagen konnte, war ich in Greenwich.
»Mensch, Mom, du siehst fantastisch aus.« Ausnahmsweise war dies keine Lüge. Die schier unüberbrückbare Stilkluft, die uns immer getrennt hatte, war in diesem Moment ein winzig kleines Stück geschrumpft.
»Ich war beim Friseur. Gefällt es dir?«, fragte sie und sühnte damit die Geschmacksverirrungen eines ganzen Lebens. Ich meine, ich hatte es mir ja nur zum erklärten Ziel gemacht, sie zu überzeugen, ihr mausbraunes Haar mit ein paar geschickt platzierten Highlights aufzuhellen – wie erwartet, hob es ihre wunderschönen Augen hervor, die so lebhaft funkelten.
»Es sieht super aus, Mom!«
Sie nahm meine Tasche und führte mich in die Küche.
»Ist das mit Dad nicht wunderbar?«, sagte sie und stellte meine Tasche auf der Kochinsel ab. Ich muss gestehen, bevor Mom angerufen hat, hatte ich einen kurzzeitigen Reifeaussetzer. In der falschen Annahme, dass ich der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit wäre, dachte ich, dass ich einfach nach Hause gehen und mich an jedermanns Schulter ausheulen könnte. Wie kindisch. Und wie aufregend die Neuigkeiten über Dad waren.
»Wie ist es dazu gekommen?«, fragte ich, gespannt darauf, alle Einzelheiten darüber zu hören.
»Es ist einfach so passiert …« Sie schnippte mit den Fingern. »Eines schönen Tages, aus heiterem Himmel, hat Nini angerufen, nur um zu …« Ihre Miene wurde einen Moment lang wehmütig, dann leuchteten ihre Augen auf. »… plaudern! Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr einfach so unterhalten und, na ja, eins führte zum anderen.« Sie seufzte glücklich. »Sie erwähnte ganz nebenbei, dass ihr Bühnenbildner noch einige Kunstwerke für ihre Sendung bräuchte, und fragte, ob dein Vater etwas gegen einen Ateliersbesuch von ihrem Produktionsteam hätte. Nun, jedenfalls ist der Bühnenbildner mit einem Kunsthändler befreundet, welcher sich als ein sehr wichtiger Kunsthändler entpuppte, und das Ende der Geschichte kennst du ja.«
»Irre!«
»Aber wir hatten keine Ahnung, dass es so spektakulär werden würde. Er hat bereits alle Schwarzweißzeichnungen deines Vaters verkauft und hat Kaufoptionen auf mehrere Gemälde.«
»Oh Mom, das ist ja so aufregend! Dad muss ganz aus dem Häuschen sein! Ist er in seinem Atelier?«
»Zurzeit lebt er praktisch dort. Er muss noch immer einiges malen, aber er wird fertig sein, bis die Leute von der Kunsttransportfirma kommen. Er kann es gar nicht erwarten, dich zu sehen. Er ist so stolz auf dich, Schatz.«
Mom sagt mir immer, wie stolz Dad auf mich ist, aber diesmal wäre mir fast das Herz stehen geblieben,
als sie hinzufügte: »Und ich auch.« Ich meine, wer war diese Frau? »Also, jetzt will ich alles über Hautelaw hören. Oh, und wo wir gerade dabei sind«, sagte sie, »ich habe noch nie etwas vom Modetag gehört. Was ist das denn?« Sie wusste Bescheid. »Ist heute wirklich ein Feiertag in der Bekleidungsindustrie, oder gibt es einen anderen Grund, weshalb du heute nicht bei der Arbeit bist?« Zum Glück kam in diesem Moment Dad hereingeschneit. Perfektes Timing!
»Da ist ja mein Schmetterling!«, rief Dad. Ich weiß. Es ist ein bisschen peinlich, aber es ist nun einmal sein Kosename für mich, seit ich ein Baby war. Er streckte seine Arme aus, um mich in einer seiner berühmt-berüchtigten dicken Umarmungen an sich zu drücken.
»He, Dad – ich gratuliere! Ich freue mich ja so für dich!«
Er schlang seine Arme um mich. »Danke.« Er grinste. »Also, lass dich mal anschauen«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Du siehst einfach umwerfend aus! Wie immer.« Egal, wie alt ich werde, ich werde immer rot, wenn mein Dad mir Komplimente macht – und das wird sich nie ändern.
»Deine Mom und ich sind so stolz auf dich. Ich
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