Shotgun Lovesongs
längst nicht genug Gästen. Wir hatten uns in eine der Nischen gesetzt und Ronny erzählte mir von seinen Reisen, wie er und einer seiner Kumpels sich die Benzinkosten geteilt hatten und durch ganz Amerika gefahren waren. Sie hatten dabei alle möglichen Wettbewerbe mitgenommen, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene, hatten sich hier und da etwas dazuverdient und sich damit gerade so eben über Wasser halten können.
In New Mexico war ihnen dann das Geld ausgegangen und außerdem brauchte der Wagen seines Freundes auch noch einen neuen Kühler. Also schliefen sie in der Wohnung einer Freundin auf dem Boden und Ronny passte auf ihren zweijährigen Sohn auf, während sein Freund Clint als Tellerwäscher in einem Country-Club arbeitete, bis sie schließlich wieder genug Geld zusammenhatten, um weiterzuziehen. In Oklahoma verprügelten sie einen Ölarbeiter mit vorstehenden Zähnen, der in einer öffentlichen Toilette ein junges Mädchen sexuell belästigt hatte. Sie waren kurz vor Beginn eines Rodeos ganz zufällig Zeugen dieser Szene geworden und Ronny hatte dem Mädchen gesagt, es solle gehen und seine Eltern suchen. Dann trugen er und Clint den Mann hinaus auf den Parkplatz, schlugen ihm die Rippen zu Brei und nahmen ihm Brieftasche und Stiefel ab.
»Schau«, sagte Ronny und wies auf seine Füße. »Sie sehenzwar nicht mehr ganz so gut aus wie am Anfang, aber trotzdem – das ist das schönste Paar Stiefel, das ich je besessen habe.«
Wir prosteten uns zu. Draußen fing es an zu schneien, große, nasse Flocken, so groß wie Untersetzer. Wir teilten uns einen Teller mit Chicken Wings und einen mit Zwiebelringen und nach kurzer Zeit waren unsere Finger, Lippen und das Kinn vollkommen fettverschmiert.
»Es ist schön, dich zu sehen«, sagte Ronny, ohne mich anzuschauen. Er war gerade mit einem Hähnchenknochen beschäftigt.
»Find ich auch.«
Wir gingen hoch in sein Hotelzimmer, noch nicht ganz betrunken, aber auf dem besten Weg dorthin. Das war die Zeit, als Ronny noch trank, sehr, sehr viel trank. Als wir in sein Zimmer kamen, lagen überall leere Bierdosen herum und auf einem kleinen Tisch in der Ecke standen lauter Flaschen mit billigem Whiskey, Wodka und Rum. Draußen an der Tür klebte ein Zettel, auf dem stand:
Ronny,
wart nicht auf mich. Hab ein Mädel getroffen,
das wie Shania Twain aussieht.
Bis morgen früh.
Clint
Wir setzten uns jeder auf ein Bett und schlüpften unter die Decken, tranken Rum und Cola und wurden immer betrunkener, während wir uns über Little Wing und Henry und Lee und Kip und Eddy unterhielten.
»Es geht mich ja nichts an«, sagte Ronny, »aber du solltest dich echt wieder mit Hank zusammentun. Erliebt dich. Weißt du das? Er liebt dich wirklich und wahrhaftig.«
Ich nickte in meine Tasse und nahm einen großen Schluck.
»Ich meine, ich weiß nicht, was du gerade so treibst und so, aber das muss ich dir jetzt mal sagen. Hank ist mein Freund und er ist ein guter Mensch und außerdem ist er total verrückt nach dir. War er immer schon.« Ronny stellte seine Tasse auf dem Nachttisch ab. »Ich weiß, wir sollten eigentlich alle auf die Pauke hauen und mit so vielen Leuten ins Bett steigen, wie wir nur können und so, aber ich finde, das ist alles totaler Quatsch, ein absoluter Scheißdreck. In Wirklichkeit wollen wir doch alle nur diese eine Person finden, die große Liebe.« Er zeigte mit dem Finger auf mich, um das Gesagte zu bekräftigen. Aber da er ziemlich betrunken war, schwankte der Finger ein wenig hin und her und es wirkte, als wollte er mich tadeln. »Und glaub mir, ich weiß Bescheid. Ich bin schon ziemlich viel rumgekommen. Hab schon das ein oder andere mitgemacht.« In der Zwischenzeit hatte er sein Hemd ausgezogen. Über seinem Brustbein wuchs ein kleines Haarbüschel und ein weiteres Büschel zog sich von seinem flachen kleinen Bauchnabel bis zu seinen Jeans hinunter. Er schob sich den Hut über die Augen und nahm noch einen Schluck von seinem Drink. »Ich mein’s ernst. Du wirst es bereuen. Heirate Hankie, Beth. Er ist ein wirklich guter Mann.« Er nickte. »Ein guter Mann.«
»Ronny, kommst du denn überhaupt noch mal zurück nach Little Wing?«
»Ich hoffe nicht«, antwortete er. »Ich mag Wyoming, weißt du? Ich finde es superschön da draußen.«
»Du würdest mir wirklich fehlen, wenn du nicht mehr zurückkommst.«
»Dann komm mich halt besuchen. Wir könnten zusammen reiten gehen. Auf Berge steigen. Sterne gucken.«
Er war im Begriff
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