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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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erste Mal getroffen hab ich sie auf Kips Junggesellenparty. Weißt du noch?«
    »Klar weiß ich das noch, Kumpel. Klar doch. Natürlich. Die wunderschöne Lucy.«
    Ich hörte, wie sich die beiden küssten, und dann ihre Stimme im Hintergrund: »Hallo, Lee.«
    Und dann war wieder Ronny in der Leitung: »Na ja, ich hätte gern noch was gequatscht, aber ich weiß, dass du nicht so viel Zeit hast. Ich wollte nur sagen«, und hier hielt er inne. Ich konnte hören, wie er nachdachte, nach den richtigen Worten suchte, als wären sie lauter Kleingeld, das ihm auf dem Bürgersteig in alle Richtungen davonrollte – sein gesamtes Vermögen. »Ich wollte dich fragen, ob du wohl mein Trauzeuge sein möchtest. Würdest du das machen? Magst du mein Trauzeuge sein?«
    Ein Auto hupte wütend – ein langer, tiefer Ton, der meine ganze Welt auszufüllen schien.
    »Lee?«
    »Ich bin noch da, Ronny. Natürlich. Aber natürlich werde ich dein Trauzeuge sein. Es wäre mir eine Ehre.«
    »Alles klar! Alles klar, Mann. Ich lass dich mal weitermachen. Ich wollt’s dir nur als Erstem sagen. Du bist der Erste, der’s weiß. Scheiße, ich bin wahnsinnig aufgeregt! Ich kann’s kaum erwarten! Mach’s gut, Lee. Und danke. Mach’s gut.«
    Er hatte aufgehängt, bevor ich die Gelegenheit bekam, ihm zu sagen, dass ich ihn liebhatte. Er muss aufgehängt haben, weil er dachte, er fiele mir zur Last, mir, seinem sogenannten besten Freund.
    Ich ging zurück ins Restaurant. Chloe starrte konzentriert auf ihr iPhone und hatte schon die Rechnung bezahlt. Ich setzte mich und trank mein Weinglas in einem Zug aus. Füllte es nach und trank es wieder aus.
    »Ich würde gerne gehen«, sagte sie.
    »Ronny wird heiraten.«
    »Wer?«
    »Ronny. Ronny wird heiraten. Ronny wird verdammt noch mal heiraten.« Ich lachte, trank, schluckte.
    »Tatsächlich?«, sagte sie, während sie immer noch auf ihr Telefon starrte. »Das ist ja fantastisch. Wie wundervoll.«
    »Lass uns noch etwas Wein bestellen«, sagte ich.
    »Okay. Aber Schatz, macht es dir was aus, wenn ich schon mal heimfahre? Ich habe morgen einen wichtigen Brunch. Mit diesem tschechischen Regisseur.«
    »Chloe, mein Freund wird heiraten.«
    »Weißt du was? Ich bin einfach nur wahnsinnig müde.Okay?« Sie beugte sich zu mir herunter und küsste mich auf die Stirn. Ihre Lippen fühlten sich sehr kalt an. »Ich nehme mir ein Taxi.«
    ...
    Und alles, woran ich denken konnte, während wir uns wie zwei Blinde durch diesen Blizzard kämpften, in der Hoffnung, meinen Freund zu finden, war dieser Abend in New York und wie ich seinen Anruf eigentlich gar nicht entgegennehmen wollte. Wie ich es hatte vermeiden wollen, seine Stimme zu hören.
    »Lass uns umkehren«, brüllte Eddy über den Wind hinweg. »Wir sind schon fast eine Stunde unterwegs. Wir sollten mal die anderen kontaktieren. Sie werden ihn doch sicher schon gefunden haben.«
    »Verdammt, Eddy. Die werden schon kräftig hupen oder so was, wenn sie ihn finden. Wir müssen unbedingt weiter.«
    Er lehnte sich dicht an mein Ohr, so dass ich ihn hören konnte, auch wenn ich sein Gesicht nicht sah. »Hier ist einfach zu viel Schnee, Lee. Wie sollen wir ihn da überhaupt sehen?« Er legte eine Hand auf meine Schulter. Ich schüttelte sie ab. »Hör zu, Lee, irgendwann muss man eben akzeptieren …«, fing er an.
    »Nein, Scheiße noch mal, Eddy – wir suchen weiter. Wir trennen uns auf keinen Fall und wir geben nicht auf. Wir gehen jetzt weiter. Wir müssen unbedingt weitersuchen.«
    An manchen Stellen reichte uns der Schnee bis zur Hüfte und wenn wir durch Schneewehen wateten, ging er mir sogar bis zum Bauchnabel. Wenn er unter so einerSchneewehe vergraben lag, würden wir ihn niemals finden. Wir riefen seinen Namen, leuchteten mit unseren Taschenlampen durch die Dunkelheit. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, was er angehabt hatte. Das Einzige, was ich noch wusste, war, dass er sich, nachdem er den Smoking anprobiert hatte, wieder diese alten Cowboystiefel angezogen hatte. Und ich dachte an die vielen Gelegenheiten, wo mir aufgefallen war, wie abgetragen die Absätze schon waren und wie affektiert sein Gang aussah, wenn er die Hauptstraße entlanglief, die Füße und Knie immer nach innen gedreht. Daran, wie oft ich ihm schon angeboten hatte, ihm neue Stiefel zu kaufen – egal welche, was auch immer er wollte –, aber er hatte immer abgelehnt und diese alten Stiefel in Schutz genommen. Und dann dachte ich an Lucy – Lucy, die schwanger war

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