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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Ringen oder Softball abgeschworen hatte. Wir fuhren damals immer alle zusammen hin, um ihm dabei zuzuschauen, wie er auf diesen müden Pferden und den überfütterten Stieren ritt, in irgendwelchen baufälligen Arenen, wo die Tribünen fast in sich zusammenfielen und die Farbe in großen, hässlichen Fetzen von den Zaunbrettern abblätterte.
    Aber das hier war eine ganz andere Geschichte. Es waren Tausende von Menschen da, vielleicht sogar Zehntausende, und dort oben, auf den riesigen Bildschirmen, die im Hubert H. Humphrey Metrodome angebracht waren, war Ronnys Gesicht und winkte unbeholfen zu der Menge hinunter. Ein paar Mädchen, die hinter mir saßen, zeigten zu ihm hoch. Sie sagten immer wieder: »Ach, er ist so schrecklich süüüüüüß.« Mein Freund Ronny.
    An jenem Abend in Minneapolis ritt er unter anderem auf einem Bullen namens Jax. Daran erinnere ich mich noch genau. Ich weiß noch, dass ich mir die Hand vor den Mund hielt, während ich zusah, wie Ronny in der Startbox auf dem Tier saß, sah, wie diese riesige Kreatur unter ihm sich aufbäumte und tobte. Und dann wurde das Gatter geöffnet und er flog in die Arena hinaus, wirbelte dort herum wie eine wahnsinnig tapfere kleine Stoffpuppe: eine Hand hoch in der Luft, die Sporen zwei perfekte silberne Sterne inmitten eines endlosen wilden Strudels, die Jeans im tiefsten Marineblau und über seiner Oberlippe der Hauch eines Schnurrbarts.
    Er hielt sich nicht lange – 3,2 Sekunden –, aber ich jubelte ihm zu, während er aus der Arena rannte, über die Umzäunung sprang und mit seinem Hut der Menge zuwinkte. Es war deutlich zu sehen, dass er Fans hatte, Leute, die seinen Namen kannten. Er ritt an diesem Tag noch ein zweites Mal, qualifizierte sich aber nicht für das Finale. Nach seinem letzten Ritt und nachdem man den Stier wieder weggesperrt hatte, zog er seinen schwarzen Stetson vom Kopf, verbeugte sich tief vor seinen Bewunderern und klopfte sich dann den Staub von seinen Jeans und den Lederchaps.
    Ich traf ihn draußen vor dem Metrodome in der Innenstadt von Minneapolis. Die Zeltdachkonstruktion des riesigen hässlichen Gebäudes leuchtete hell. Er rauchte gerade eine Zigarette mit ein paar anderen Typen und einer seiner Freunde pfiff anerkennend, als ich auf sie zuging. Ronny schlug dem Mann scherzhaft die Zigarette aus dem Mund, schnipste ihm dann den Hut vom Kopf und benutzte ihn als Frisbeescheibe, die er zwanzig Meter weit in dessen Rücken segeln ließ. Alle lachten.
    Dann hielt er mir wie ein perfekter Gentleman seinen Ellbogen hin, damit ich mich einhängen konnte. Wir gingen eine Weile durch die Gegend, obwohl es kalt und windig war – ein Aprilabend in Minnesota. Ich hatte hochhackige Schuhe an und mir froren fast die Füße ab. Und ich musste mir immer wieder die Haare aus dem Gesicht streichen, während er die ganze Zeit seinen Hut festhielt. Wir hätten ebenso gut ein Paar von vor hundert Jahren sein können, das durch die Straßen dieser Stadt am Fluss entlangflanierte, obwohl wir ja in Wirklichkeit nur Freunde waren.
    »Komm, nehmen wir uns ein Taxi«, sagte Ronny schließlich, schob mich in eines der gelben Fahrzeuge und nannte dem Fahrer die Adresse seines Hotels. »Keine Sorge, ich werd schon nicht über dich herfallen.«
    »Es tut mir leid. Das war echt blöd von mir. Ich – ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist.« Mir war nach Heulen zumute. Ich vergrub das Gesicht in den Händen und atmete tief ein. »Du warst übrigens toll da draußen.«
    »Von wegen. Das war ein verdammt mieser Auftritt. Gott sei Dank warst du die Einzige, die hier war und das gesehen hat.«
    »Ach, das würde ich nicht sagen. Ich habe heute Abend ziemlich viele Ronny-Taylor-Fans im Publikum gesehen. Vielleicht ein bisschen jung für einen Typen wie dich. Aber sie waren definitiv große Fans von dir.«
    »Tja, mach dir da keine Sorgen«, sagte Ronny. »Hier und da schaffe ich es auch mal, jemanden zu finden, der ein bisschen reifer ist.« Er grinste mich an, wobei ein paar seiner künstlichen Zähne zu sehen waren. Dann klopfte er mit den Fingerknöcheln gegen die Scheibe, einfach nur, um einGeräusch zu machen. »He, alles klar bei dir?«, fragte er, als ich nichts erwiderte. »Was ist los?«
    »Nichts ist los. Aber ich hoffe sehr, dass dein Hotel eine Bar hat.«
    Wir schütteten unsere überteuerten Drinks in einem Zug hinunter, in der trendigen Bar auf der ersten Etage des Hotels – ein Raum mit seltsamem Licht, zu vielen Spiegeln und

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