Shotgun Lovesongs
nach Plan stattfinden zu lassen.
Ich zählte zu denen, die ihn gedrängt hatten, im Bett zu bleiben und erst mal wieder gesund zu werden. »Ronny«, sagte ich, »Lucy wird das bestimmt verstehen. Du kannst doch nächste Woche heiraten. Oder nächsten Monat.Nächstes Jahr. Das ist doch verrückt. Du hast Glück, dass du überhaupt noch am Leben bist.«
Lucy saß so dicht neben seinem Krankenhausbett, dass sie genauso gut auf seinen Schoß hätte krabbeln können. Sie nickte bekräftigend. »Lee hat recht, Baby. Ich verlass dich nicht. Das würde ich nie tun. Nie, nie, nie.«
»Holt mich einfach so gegen Mittag hier raus«, sagte Ronny in vollem Ernst. »Ich bleib bis Mittag hier. So lang ruhe ich mich noch aus. Aber das war’s dann.« Er wies mit dem Finger auf mich, auf Henry, Eddy, Kip und die Girouxs. »Ich unterschreibe die scheiß Formulare selber, wenn es sein muss. Ich bin nicht krank.«
Mittags fuhren wir ihn im Rollstuhl zur Eingangshalle des Sacred-Heart-Krankenhauses. Lucys alter Dodge Neon stand im Leerlauf vor der Tür. Ronnys Hände und Füße waren dick verbunden und als er sich auf seine wackligen Beine stellen wollte, liefen wir hastig zu ihm, um ihn zu stützen.
»Jetzt lasst mich mal in Ruhe«, sagte er. »Schließlich bin ich nicht tot. Ich war schon mal viel schlimmer dran als jetzt. Fahrt mich einfach zu meiner Wohnung«, sagte er. »Und schaut, dass ihr mich irgendwie in diesen Smoking kriegt.«
Ich saß auf dem Rücksitz des Neon, während Lucy fuhr. Ihr großer runder Bauch stieß gegen das Lenkrad und sie schaute immer wieder nervös zu Ronny hinüber, hielt seine Hand in ihrer und fragte, ob die Heizung zu hoch gestellt war. Er winkte ab und tat so, als betrachtete er die Welt draußen vor seinem Fenster.
»Baby«, sagte sie leise. »Baby, was hast du denn bloß da draußen gemacht, letzte Nacht?«
»Ich weiß auch nicht«, begann er und verstummte wieder. Dann schaute er auf seine Hände und auf den Verlobungsring an seinem breiten Ringfinger. »Es war so schrecklich kalt da draußen, da ist mir der Ring runtergefallen. Er ist einfach irgendwann von meinem Finger gerutscht und ich bin runter in den Schnee und bin auf allen vieren da rumgekrabbelt und hab in der Dunkelheit nach ihm gesucht, keine Ahnung, wie lange. Aber dann habe ich ihn gefunden und in meine Tasche gesteckt.«
»Baby.«
Ich sah vom Rücksitz aus im Spiegel ihre Gesichter, sah auf ihre Finger in seinen Haaren, auf die vor uns liegende Straße.
»Ich hab mich halt einfach nur verirrt. Mehr nicht.«
»Aber was hast du überhaupt da draußen gemacht? Warum warst du nicht zu Hause?«
»Ich weiß auch nicht. Hab einfach nicht mehr gewusst, wie spät es war, glaube ich. Und dann bin ich raus, um mal zu pinkeln, und als ich mich umdrehte, war die Bar irgendwie weg oder so was.« Ronny lachte und drehte sich zu mir um. »Scheiße, vielleicht hat sich die Bar ja auch verirrt.«
Ich lächelte ihn an.
»Baby«, sagte Lucy. »Du wirst jetzt bald Papa. Das weißt du doch. Du wirst der Papa von jemandem. Da geht so was nicht mehr, sich einfach verirren, okay?« Sie fing an zu weinen und lenkte das Auto an den Straßenrand. »Du darfst mich jetzt nicht mehr verlassen, hörst du? Wir müssen jetzt zusammenhalten.«
Er sah sie an. »Ich wollte ja bei dir sein«, sagte er. »Aber ich dachte, das dürfen wir nicht, in der Nacht vor der Hochzeit. So ’ne Traditionssache oder so.«
Sie strich mit ihren Händen über sein Gesicht, seine Wangen. »Ab heute musst du dir um so einen Mist nie wieder Gedanken machen.«
Sie küssten sich, während sich ihre Sitzgurte bis zum Äußersten dehnten. »Hört mal, ich könnte doch den Rest des Weges fahren«, schlug ich vor. Und ohne ein Wort zu sagen, lösten sie beide ihren Gurt, stiegen aus dem Auto aus, warteten, bis ich mich vors Steuer gesetzt hatte, und krabbelten dann hastig auf den Rücksitz, wo sie den Rest der Fahrt damit zubrachten, sich so fest es nur ging zu umarmen. Ich schaute ihnen im Rückspiegel ein paar Sekunden zu, bevor ich meinen Blick schnell wieder abwandte.
Die Zeremonie selbst fand in der ehemaligen Lagerhalle der Mühle statt – ein riesiger Raum, der immer noch ganz leicht nach Malz roch. Es gab natürlich keine Orgel, aber Kip hatte keine Kosten gescheut und ein Soundsystem installiert und außerdem einen professionellen DJ angeheuert, der sich um die Musik kümmerte.
Ich stand vorne neben Ronny – wenn es bei dem Sitzarrangement überhaupt »vorne« gab
Weitere Kostenlose Bücher