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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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ruhen zu lassen. »Wie oft ist es passiert?«, fragte ich.
    Lee hielt im Trinken inne und starrte mich an. Der Bierschaum klebte in seinem Fünftagebart. Dann strich er sichmit seinen dünnen Fingern, auf denen die Adern hervortraten, übers Gesicht, zog seine Baseballkappe zurecht und schaute mich ohne zu blinzeln an. Ich starrte zurück.
    »Ein einziges Mal.«
    »Ein Mal?«
    »Ein Mal.« Er hob seinen Zeigefinger in die Höhe und zog ihn dann schnell wieder zurück. Zuckte entschuldigend mit den Schultern, eine Geste, die ich ziemlich unangebracht fand.
    » Ein Mal? «
    »Es tut mir leid.«
    »Kann ich dir vertrauen?«
    »Ja.« Er nickte.
    »Hast du gewollt, dass es öfter passiert?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hör zu – nein. Es war ein Fehler.«
    Er lügt. Der miese Arsch lügt wie gedruckt. »Ach ja? Das glaube ich dir nicht. Siehst du, genau das meine ich. Selbst wenn ich dir jetzt verzeihe, wie zum Teufel soll ich dir jemals wieder vertrauen? Du bist nichts als ein gottverdammter Lügner.«
    »Okay. Ja, okay? Ja, ich habe gewollt, dass es öfter passiert. Ich war einsam. Scheiße, ich hing in diesem Farmhaus fest, am Arsch der Welt, mit drei Mexikanern und einer alten Lady, und ich war davon überzeugt, ein totaler Versager zu sein. Natürlich wollte ich mit jemandem schlafen.«
    »Hätte es auch irgendjemand anders sein können?«
    Er schien über meine Frage nachzudenken. Ich beobachtete sein Gesicht, während ich mein Bier trank.
    »Ja. Ja, ich denke, es hätte auch jemand anders sein können.«
    »Glaubst du, Beth hätte es gern noch mal getan?«
    »Nein, Mann. Hör zu, sie liebt dich. Das weiß doch jeder. Sie hat dich immer schon geliebt.«
    »Hast du sie geliebt?«
    »Nein. Ach, Scheiße.« Er klopfte mit den Knöcheln auf den Tresen. »Ein bisschen. Ja. Jetzt nicht mehr. Aber damals – ein bisschen. Natürlich tat ich das. Wie denn auch nicht? Ja.«
    Ich wandte den Blick von ihm ab und schaute wieder zu dem Glasbehälter.
    »Das öffnet einem ja echt die Augen«, sagte ich. »Ziemlich ernüchternde Enthüllungen, die da von allen Seiten kommen.«
    Ich hielt zwei Finger in die Luft, in Richtung der heftig schwitzenden Barkeeperin, Joyce, die nach ein paar Augenblicken zu uns kam. Zwischen ihren faltigen Lippen klemmte eine unangezündete Zigarette.
    »Jungs«, sagte sie ausdruckslos. »Was darf ’s sein?«
    »Gib uns zwei Gläser von irgendwas Hartem, das Billigste, was du hast, und noch eine Kanne Bier«, sagte ich.
    »Was habt ihr zwei denn hier vor? Wollt ihr mir das ganze Bier wegtrinken?«
    »Genau das ist der Plan«, sagte ich.
    »Unser großer toller Plan«, wiederholte Lee.
    Sie wandte sich ab und ging in Richtung der Zapfhähne, als Lee aufsprang und sich auf seinen Stuhl stellte. »He, Joyce, warte! Komm zurück! He, wie viele Eier sind da in dem Glas?«
    Sie sah uns an. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Wollt ihr eins? Fünfzig Cent.«
    »Nee«, sagte er. »Ich will keins. Die sehen echt ekelhaft aus. Ich will einfach nur wissen, wie viele da drin sind.«
    Sie seufzte tief, als gäbe sie es auf. Sie kannte uns, hatte in der Kantine der Grundschule gearbeitet und uns das Essen in die Vertiefungen unserer Plastiktabletts geschaufelt, als wir ihr noch nicht mal bis zur Hüfte reichten. Ihr Mann war ein Farmer und hatte schon oft mit mir und den Giroux-Zwillingen zu tun gehabt. Sie schaute auf das Glas und dann zurück zu Lee und sagte schließlich: »Zweihundertzwölf.« Dann ging sie wieder weg.
    »Nein! Nein! Nein!«, brüllte Lee ihr hinterher. »Komm zurück! Das kann unmöglich stimmen!«
    »Lee!«, brüllte sie ihn an. »Du bist betrunken. Und Hank ist auch betrunken. Ich hole euch jetzt euer Bier und euren Schnaps und dann komme ich wieder zurück und werde kassieren. Und dann macht ihr, dass ihr hier rauskommt. Und es ist mir schnurzegal, wie viele Grammys du hast, von mir aus kannst du hundert Grammys haben. Damit kannste dir den Arsch abwischen. Und damit basta.«
    Und dann drehte sie sich um und ging.
    »Das hast du ja super hingekriegt, du Arschloch. Ich bin noch nie aus einer Bar geschmissen worden.«
    »Tja, also«, sagte Lee. »Wo waren wir stehen geblieben? Ist jetzt alles okay mit uns?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass das so einfach geht. Ich glaube, es wird noch etwas Zeit brauchen, verstehst du? Wenn’s überhaupt noch geht. Ich muss dir wieder vertrauen können. Ich muss dir wieder so weit trauen können, dass ich dich in die Nähe

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