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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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irgendwie das Gefühl, dass der Schlüssel zu allem darin liegen könnte, dieses Glas da mit den Eiern zu klauen.«
    Die Barkeeperin stellte die neue Kanne Bier vor uns hin und verschwand dann wieder, um sie auf unsere Rechnung zu setzen. Ich goss uns nach und ich muss zugeben, dass ich für einen Augenblick mildere Gefühle hegte, nur weil ich gerade Bier in Lees Glas geschüttet hatte, weil ich etwas Vertrautes und Nettes für ihn getan hatte. Denn es stimmte ja, wir hatten schon so viele Stunden, sogar Tage damit verbracht, genau das zu tun, was wir jetzt gerade taten: zusammen zu trinken und uns zu unterhalten. Und doch …
    »Also, tust du’s? Klaust du mit mir dieses Glas voller Eier?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Wären Sie so freundlich, Sir? Würden Sie bitte, bitte dieses Glas Eier mit mir klauen?« Er hatte sich auf einen neckischen Ton verlegt und ich glaube, ich habe sogar ein wenig geschmunzelt. Gleichzeitig fragte ich mich, wie sein großartiger Plan wohl aussah, wie er mit einem riesigenGlasbehälter voller eingelegter Eier aus der Bar rauskommen wollte.
    »Nee. Ich bin noch nicht so weit.«
    »Aber du ziehst diesen gewagten Raubzug zumindest schon mal in Betracht – habe ich recht?
    »Schon möglich. Es kann schon sein, dass ich ein ganz klein wenig neugierig geworden bin. Aber vielleicht denke ich ja auch nur, dass du nichts als einen Haufen Scheiße im Kopf hast.«
    »Weil, jetzt bist du nämlich ein Komplize. Du hast gar keine Wahl mehr. Oder du müsstest mich bei den entsprechenden Stellen anzeigen.« Ich konnte erkennen, dass er auf dem besten Wege war, betrunken zu werden. Er kippte das billige helle Bier herunter. »Bei den zuständigen Behörden, sozusagen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ich bin betrunken – ich weiß auch nicht. Vielleicht weiß ich gar nicht, was ich da gerade rede. Aber ja , es ist mein Ernst. Diese Eier da, die machen sich über uns lustig. Schau sie dir nur an. Und außerdem ist es eine Verzweiflungstat. Okay? Ich weiß einfach nicht, wie wir beide sonst den Karren aus dem Dreck ziehen könnten, außer mit irgend so ’ner kindischen Tat, verstehst du, so ’ne Art Solidaritätsübung. Und während ich hier so neben dir saß und zu diesen wahnsinnig ekelhaften Eiern da rüberschaute, kam mir plötzlich die Idee, dass wir die kleinen Scheißerchen einfach klauen könnten.«
    »Du bist ein Vollidiot.«
    »Also, wie viele Eier glaubst du sind da wohl drin?« Er wies mit dem Zeigefinger auf das Glas, kniff in gespielter Konzentration die Augen zusammen und runzelte scherzhaft die Stirn.
    »Nein!«, bellte ich ihn an und schlug seinen Finger weg. Ich war plötzlich wieder wahnsinnig wütend. »Das ist unglaublich kindisch, Scheiße noch mal.« Ich verstummte und sprach dann ein bisschen leiser weiter. »Du, du hast meine Ehe kaputtgemacht! Du hast meine Familie kaputtgemacht! Und jetzt sitzen wir zusammen hier und zählen Eier? Und reden darüber, wie wir so’n beschissenes Glas mit eingelegten Eiern stehlen können, als würdest du damit irgendetwas wieder in Ordnung bringen? Als könnten wir danach einfach so tun, als wäre nichts geschehen?«
    Lee sah mich jetzt an, sah mir direkt in die Augen und ich konnte sehen, dass in seinen Tränen standen, dass er wirklich nicht mehr wusste, was er sagen sollte, und dass es ihm tatsächlich leidtat. Dass es nichts mehr gab, was wir tun konnten.
    »Scheiße«, sagte ich. »So sieht’s also aus, wenn einen die Realität einholt.« Ich ballte die Faust, wünschte mir sehnlichst, ich könnte ihn zusammenschlagen.
    »Es tut mir leid«, sagte Lee. »Es tut mir wirklich und wahrhaftig leid. Ich dachte, ich hätte in Chloe die perfekte Frau gefunden, und na ja, es hat einfach nicht geklappt. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Aber ich hoffe sehr, dass du es schaffst, dass du es irgendwie schaffst, mir wieder zu vertrauen. Und ehrlich, ich würde es ja verstehen, wenn du das nie wieder könntest. Aber du bist mein bester Freund, in der ganzen weiten Welt, verstehst du? Und ich liebe dich. Ich weiß echt nicht, was ich sonst noch sagen soll.«
    Dann stand Lee von seinem Barhocker auf, trank ein ganzes Glas Bier in einem Zug und ging in den hinteren Teil der Bar, wo die Toiletten waren.
    Ich saß da, betrachtete das Holzmuster der uralten Theke aus Mahagoni und schaute dann zur Hauptstraße hinaus, wo die Straßenlaternen ein anheimelndes Licht auf den glatten, nassen Asphalt warfen. Ich seufzte. Denn es gab tatsächlich nichts mehr,

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