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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Ahornbäume, die kaum groß genug waren, um uns Deckung zu geben, hörten, wie das Auto sich näherte, und ließen es vorbeifahren. Dann sprang Lee hinter dem Baum hervor, holte aus und warf. Das Ei segelte durch die Luft, während es sich auf seiner krummen Flugbahn unablässig um sich selbst drehte, und traf den sich von uns entfernenden Toyota Camry an der Stoßstange. Wir sprangen zurück in die Dunkelheit und sahen zu, wie das Auto abrupt stoppte, eine Weile mit laufendem Motor dastand und dann weiterfuhr.
    »Können wir jetzt bitte nach Hause gehen?«, fragte ich. »Bist du jetzt fertig ? Ich habe schließlich Kinder, verdammt noch mal. Ich kann mich nicht bei so einer hirnrissigen Scheiße erwischen lassen.«
    »Ach, jetzt hab dich nicht so! Lass einfach mal die Sau raus!« Er hob das Glas auf und ging weiter die Elm Street hinunter, von der Hauptstraße fort. »Komm schon, vertrau mir!«
    »Wo zum Teufel willst du hin?«, brüllte ich und weigertemich, ihm einfach hinterherzutraben. Aber als er keine Antwort gab, folgte ich ihm doch, in einem Abstand von fünf oder sechs Metern. Ich sah meinem Freund dabei zu, wie er vor sich hin stolperte, über Risse im Bürgersteig oder hartnäckige Baumwurzeln, die sich durch den Beton gegraben hatten. »He, okay, nun warte doch. Lass mich das Ding da tragen. Ich bin stärker als du.«
    Er gab mir das Glas und nahm dann acht Eier heraus, genug, um beide Hände zu füllen. »Ich will mich auf die Eisenbahnbrücke setzen. Die, die über die Schnellstraße geht«, sagte er.
    »Okay«, sagte ich. Und so wankten wir sehr betrunken in die angegebene Richtung.
    Das Stahlgerüst der Brücke war im Lauf der Zeit von einem rostigen Schorf überzogen worden. Generationen von Highschoolschülern hatten sich mit bunter Sprühfarbe darauf verewigt, hatten ihre Namen und ihre heiligsten Liebes- und Hassschwüre daraufgemalt. Wir saßen über der Schnellstraße, ließen unsere Stiefel über der Tiefe baumeln und hatten das Glas zwischen uns gestellt. Die Eier schienen in der dunklen Nacht zu leuchten.
    »Jetzt sind nur noch wir übrig«, sagte Lee.
    »Was meinst du damit?«
    »Alle anderen sind gegangen. Ronny und Lucy. Kip und Felicia. Nur wir sind noch übrig. Die letzten Mohikaner.«
    Ich zuckte mit den Schultern und ließ ein Ei von der Brücke fallen. Es zerplatzte auf dem Asphalt unter uns. Es war keine besonders nasse Explosion – eher so, als hätte man ein wenig Wackelpudding fallen gelassen. Die Eipartikel kapitulierten einfach und zerstreuten sich über eine kleine Fläche. Ich ließ ein zweites Ei fallen, und dann nocheins und noch eins und trotzdem war das Glas immer noch so gut wie voll.
    »Ich bin der Einzige, der an dieses Land gebunden ist«, sagte ich. »Ihr anderen – euch kann ich’s gar nicht mal verdenken. Und du«, fügte ich hinzu, »du wirst auch wieder weggehen. Du wirst eine andere Frau finden und sie wird auch nicht hier leben wollen. Sie wird dich nach Los Angeles schleppen oder Paris oder wieder nach New York. Du wirst schon sehen. Leute wie du«, sagte ich und warf noch ein Ei in die Nacht, während ich ein wenig nüchterner wurde und auch ein wenig gehässiger, »die gehören hier nicht her. Du passt nicht mehr rein. Jedenfalls nicht richtig. Du hast zu viel Geld.«
    Lee schaute auf die nasse Straße und schälte ein großes Stück Farbe von der Brücke. Ich konnte sehen, dass meine Worte ihn verletzt hatten.
    »Da irrst du dich«, sagte er. »Ich bleib jetzt hier, Kumpel. Endgültig. Ich hab die Mühle gekauft. Habe sie Kip abgekauft. Hab meinen Einsatz auf den Tisch gelegt, sozusagen. Gut möglich, dass ich damit mein Geld in den Wind geschmissen hab, wer weiß, aber ich hab mehr als eine Million investiert und werde also auf keinen Fall von hier weggehen. Ich gründe ein Aufnahmestudio und dann werd ich noch ein kleines Theater aufmachen. Diese verschlafene kleine Stadt hier kriegt jetzt ihre Livemusik, ob sie will oder nicht. Und es ist mir egal, ob die Farmer zu den Shows kommen. Wir werden unser Publikum aus Minneapolis und St. Paul hierherlocken, und aus Eau Claire und La Crosse und aus dem gottverdammten Milwaukee, und sie werden schon kommen, weil es nämlich meine Mühle ist – meine Mühle in dem urigen kleinen Ort Little Wing. Und wer weiß, vielleicht finde ich ja auch nie wieder eine Frau.In New York werde ich jedenfalls nicht nach ihr suchen, da kannst du Gift drauf nehmen.«
    Er biss gedankenverloren in eins der Eier, spuckte es dann

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