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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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was ich hätte tun können. Und manchmal ist das auch schon alles, was man zur Vergebung braucht: ein tiefes Seufzen. Ich habe meinen Vater sehr geliebt, aber ich war nie so stark wie er. Ich könnte mir ein Leben ohne Leland und Ronny und sogar ohne Kip oder Eddy oder die Girouxs nicht vorstellen. Ich wollte Lee wieder zurückhaben, in unserem Haus, wollte, dass er wieder zum Lagerfeuer zu uns kam und zum Essen, wollte ihn von seinem Leben und seinen Reisen und der Musik erzählen hören, die er gerade schrieb. Was sollte ich denn tun? Mich für den Rest meines Lebens in irgendein verbittertes Joch spannen, mich vom Zorn regieren lassen? Und was würde das wohl mit meiner Ehe machen, mit Beth, mit meinen Kindern?
    Ich seufzte noch einmal, hörte, wie er zurückkehrte, wie sein Gewicht das schwarze Sitzkissen des Barhockers herunterdrückte, wie er sich Bier ins Glas goss. Draußen auf der Hauptstraße trottete ein nasser Hund mit eingezogenem Schwanz und gesenktem Kopf vorbei.
    »Also, wie schaffen wir dieses Glas jetzt hier raus?«, fragte Lee. »Ohne dass es jemand mitkriegt?« Er schaute sich in der Bar nach potentiellen Zeugen um, von denen es vielleicht ein Dutzend gab. Es war nicht viel los an diesem Abend.
    »Hör zu«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll.«
    »Ich lasse mich nicht abhalten«, sagte er und zeigte auf die Eier.
    »Ich meine es ernst. Ich muss dir was sagen und das muss ich jetzt irgendwie loswerden und da kann ich es verdammt noch mal nicht gebrauchen, dass du mich mit diesem scheiß Geschwätz über eingelegte Eier unterbrichst.« Ich holte tief Luft. »Ich bin so verdammt wütend auf dich, dass ich dich umbringen könnte. Wirklich umbringen könnte. Verstehst du? Ich habe nie an Beth gezweifelt, nie, bis letztes Jahr. Habe ihr immer hundertprozentig vertraut. Sie immer geliebt. Und jetzt? Was jetzt? Sie ist alles, was ich habe, Mann. Sie und die Kinder, das ist alles, was ich habe. Und es fühlt sich einfach so an, als –« Ich schwieg.
    »Als hätte ich dir das weggenommen.«
    »Halt um Gottes willen die Fresse. HALT DIE FRESSE!«
    Er hielt die Hände hoch.
    »Ja. Als hättest du mir das weggenommen.«
    Wir schlürften wieder unser Bier.
    »Und ich kann es ja fast verstehen. Es ist Jahre her«, fuhr ich fort. »Und wir waren noch nicht verheiratet. Aber verstehst du denn auch ? Ich bin nicht reich, Lee. Ich bin nicht berühmt. Beth ist alles, was ich habe . Meine Familie ist alles, was ich habe . Und wenn ich könnte, dann würde ich dich so lange schlagen, bis nichts mehr von dir übrig ist.«
    Ich trank so schnell aus meinem Glas, dass mir das Bier aus den Mundwinkeln lief, und wischte es dann mit dem Arm ab. »Verdammt noch mal«, sagte ich und schlug so fest mit der Handfläche auf den Tresen, dass unsere Gläser in die Luft sprangen und die ganze Bar verstummte. Die übrigen Gäste starrten aus ihren Nischen und von ihrem Poolspiel zu uns herüber.
    »Es tut mir so unendlich leid, Hank.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich bitte dich um Verzeihung. Es tut mir so leid. Es tutmir so unendlich leid, Mann. Das ist alles, was ich noch sagen kann.«
    »Toll, es tut dir leid. Klasse. Na gut – damit kannst du jetzt mal anfangen. Spiel mal den scheiß berühmten reichen Sack und spendier uns noch ’ne Runde. Wie wär’s damit?«
    Ich ging zur Jukebox und drückte ein paar Knöpfe: Ein bisschen Creedence und ein paar Stücke von Crosby, Stills, Nash & Young. Als ich zur Theke zurückkehrte, hatte Lee mein Glas erneut gefüllt und stopfte sich den Inhalt einer Chipstüte in den Rachen. Er bot mir davon an. Ich nahm die Tüte, schüttete mir ein paar Chips in den Mund, kaute und sah alles in der Bar an außer Lee.
    »Diese Dinger hier haben die Konsistenz von Sägemehl«, sagte ich.
    »Ich weiß. So als wäre jemand draufgetreten.«
    »Trotzdem«, sagte ich. »Besser als nichts.«
    »Keiner wird diese gottverdammten Eier vermissen, das schwör ich dir«, sagte er leise zu mir.
    »Wann hast du das letzte Mal jemanden eins kaufen sehen? Das sind wahrscheinlich genau dieselben Eier, die schon mein Dad hier hat stehen sehen, als er noch jung war. Diese Eier da könnten zwanzig, dreißig Jahre alt sein. Sie verdienen es geradezu, geklaut zu werden. Sie wollen geklaut werden. Da bin ich mir todsicher. Und ich lass mich nicht davon abbringen.« Sein Ton war verschwörerisch. Dann trank er noch einen Schluck Bier. »Nein, nein, auf keinen Fall.«
    Ich schaffte es nicht, die Sache

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